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die Bosener Gruppe
Text des Monats
Monat 09/2024:
Schpädsummer von Hanns Glückstein
Der Völklinger Hanns im Glück
Das Gedicht Schpädsummer des aus Völklingen stammenden Autors Hanns Glückstein ist Mundarttext des Monats im September 2024, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt.
Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, um so einen historisch weit entfernten Text und dessen Autor in Erinnerung zu rufen.
Zur Bosener Gruppe gehören:
Über den ausgewählten Text schreibt die saarländische Autorin Hildegard Driesch:
Wenn der Mundartpreis „Völklinger Platt“ verliehen wird, denkt vielleicht der ein oder andere an den großen Pfälzer Mundartdichter seiner Zeit, Hanns Glückstein, der am 10. Mai 1888 in Völklingen geboren worden war. Sein Vater Ambrosius stammte aus der Oberpfalz. Auf der Suche nach Arbeit gelangte dieser in die Pfalz, wo er die junge Halbwaise Elisabeth Ottnat heiratete (siehe auch: Literaturland Saar). Es folgte der Umzug nach Völklingen, dem Geburtsort von Hanns Glückstein.
Die Familie zog wiederum in die Pfalz, als Hanns 7 Jahre alt war, nach Mannheim. Dort wohnte sie bei einem jüdischen Holzhändler. Das dichterische Talent des jungen Hanns wurde früh erkannt. Seine schreibenden Vorbilder waren Karl Gottfried Nadler (*1809 in Heidelberg, +1849 in Heidelberg) und Karl-August Woll (1834 in St. Ingbert, +1893 in Straßburg). Bereits im Jahr 1906 erschien sein erstes Buch, dem weitere folgten. Beruflich arbeitete der Dichter bei einer Bank. Dort stieg er zum Abteilungsdirektor auf. Seine Freizeit galt dem Schreiben, dem Dichten, überwiegend in Mundart. Viele seiner Gedichte wurden vertont. Seine Operette „Lindenwirtin, o junge“ ist vermutlich sein bekanntestes Werk. Sie wurde auch noch lange nach seinem Tod aufgeführt. Hanns Glückstein war Mitglied des literarischen Vereins der Pfalz. Er schrieb u. a. Beiträge für Zeitschriften. Leider verstarb Hanns Glückstein bereits am 19. Mai 1931 in Ludwigshafen. Er war verheiratet mit Helene geb. Balduf und Vater einer Tochter.
Wegen seiner Nähe zu jüdischen Mitbürgern wurden seine Schriften zur NS-Zeit nicht mit Wohlwollen bedacht, was deren Bekanntheit jedoch keinen Abbruch tat. Sein ausführlicher Nachlass befindet sich im Mannheimer Stadtarchiv. Die Stadt Mannheim hat ihren großen Dichter (mit Völklinger Wurzeln) geehrt, indem sie einen Weg, einen Platz, eine Straße und schließlich ein neues Stadtquartier nach Hanns Glückstein benannte und sein Grab zum Ehrengrab erklärte. Wäre Hanns Glückstein nicht in dem Mundartbüchlein „Mei Geheichnis“ von 1964 verewigt, (dort wird sein Vorname nur mit einem n geschrieben), wäre der in Völklingen geborene Dichter vielleicht im Saarland ganz vergessen.
Wir erinnern an ihn mit dem Mundartgedicht „Schpätsummer“, in dem jede Zeile mit einem Großbuchstaben beginnt. Es ist doch jedes Jahr das gleiche Spiel: Gestern wehte noch ein warmes Lüftchen übers Land, während wir an mindestens vier weitere Wochen Sommer glaubten, und doch weht heute schon ein ganz anderer Wind. Der Wind legt an Stärke zu, die letzten Früchte, die die Sommererinnerung in sich speichern, reifen. Der Morgentau verrät uns die Jahreszeit, in der wir angekommen sind. Die Vögel „packen ihre Reisekoffer“, welch herrliche Bildsprache. Abschied vom Sommer: Da ist aber kein Nachtrauern, kein Jammern. Hanns Glückstein sieht durchaus die Vorteile des „weinumkränzten“ Herbstes. Die Ernte ist zum großen Teil eingefahren. Küche und Keller sind bereits gut gefüllt. Wer könnte sich nicht beim Geruch des frischen Zwetschenkuchens, bei heißer Wurst und Erbsensuppe, auf den Herbst freuen, wie der Autor in seinem Gedicht? Alles zu seiner Zeit, der Sommer, heißgeliebt, hat sein Soll erfüllt und muss gehen. Mit vorausschauendte Freude wird der Herbst willkommen geheißen.
Schpädsummer
Schun fegt’n Windstooß in die Roseschtöckcher Unn schläfrig blinzelt drowwe schun die Sunn, Die Äppel kriege ritzerote Bäckcher Unn zeitig schleicht zur Erd die Dämmerschtunn! De Reisekoffer packe schun die Vöggel, Im Wald wird’s hi unn do schun rot unn geel, Die Ente puddle nit mehr oft im Bächel, Unn’s Hinkelsvolk guckt b’sunnerscht dumm unn scheel! Die Hase hopple üwwer leere Felder, Am Morge glitzert Tau uff Laab unn Gras, Dann nachts, do werd’s schun ganz empfindlich kälter, Unn’s juckt de erschte Schnuppe in de Nas. Die erschte Trauwe gebt’s jetz zum versuche, E fein Gerüchel zieht durch Küch unn Schtubb: Im Haus do riecht’s nooch frischem Quetschekuche, Noch heeße Knackwörscht unn nooch Erbsesupp! Unn wann die Häffe sinn voll Kraut unn Gummer, Is nit mehr weit de weinumkränzte Herbscht! Dann leb recht wohl, du heeßgeliebter Summer, Dein Maaß is voll, ’s is Zeit jetz, daß de schterbscht!
Hanns Glückstein