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Text des Monats

Monat 01/2024:
Am Morschee denooch von Gerd Runck

Verstaut um zu verstauben

Das Gedicht Am Morschee denooch des südpfälzischen Autors Gerd Runck ist Mundarttext des Monats im Januar 2024, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe geeinigt. Dieser Text wurde ausgewählt, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil der Autor darin, egal ob selbst erlebt oder gut beobachtet, einen tiefen Blick in innere Abgründe wirft.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgesuchten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosner Gruppe Peter Eckert:

Ein Neujahrsmorgen der weniger hochgestimmten oder gar besinnlichen Art: Ein Mann zieht Bilanz. Nein, nur – soweit im lädierten Zustand verkraftbar – ein winziger Blick zurück, ein bemerkenswert mutiger Blick nach vorn – und dazu die Last der schwierigen Gegenwart. Die Knallerei noch im Ohr, mit letzten Konfetti auf dem Brummschädel nach draußen torkeln, vom Nachdurst getrieben zum Wirt, der hoffentlich nicht in die Kirche gerannt ist.

Die momentan nicht so ganz drängenden guten Vorsätze ohne schlechtes Gewissen gut verwahrt, tief drinnen. Die müssen halt warten, ob sie wollen oder nicht; das Jahr hat doch gerade erst begonnen. Erzwingen soll man sowieso nichts, und irgendwann wird man ja sehen, was der fester Wille erreichen wird. Nun ja, wahrscheinlich genauso wenig wie in den Jahren zuvor; er muss ja schließlich nicht alles haben. Und zugleich real und symbolisch deckt der aufkommende Schneefall das alles jetzt erst mal sauber zu.

Gerd Runck (1929-2012) aus dem südpfälzischen Landau-Godramstein war einer der ganz Großen der rheinfränkisch-pfälzischen Mundartdichtung. Über 30 Preise gab es allein beim Mundartdichterwettstreit in Bockenheim, das vorliegende Gedicht, das zweitletzte dieser Reihe, erreichte 2004 den zweiten Platz. Er verstand es, Szenen aus dem Menschenleben in unterschiedlichen Färbungen, nicht selten ironisch, auch selbstironisch in Verse zu fassen.

Am Morschee denooch

Erschter Daach im neie Johr:
Noch die Knallereie
vun Silveschter i’meim Ohr,
bunt Kunfetti in de Hoor
un im Kopp no’nit ganz glor
durkel ich ins Freie.

Noochdurscht häwwich! Sacksement!
Muß ’s erscht änner nemme...
Wann de „Schwane“-Wirt nit pennt
orrer nit in d’Kirch schun rennt
– jeerer wääß es, wu mich kennt –
duh ich zwää, drei stemme!

Wu mei guure Vorsätz sinn?
Häbb kä schlecht Gewisse:
Häbb se all fescht in mar drin
– däß esch gut sou, wie ich finn –
un wann die nit waarte kinn,
werrn se s ääfach misse!

Schließlich esch jo’s Johr noch lang,
’s esch jo grad erseht kumme!
– Fauli Ausredd? Narr kä Bang:
Jeeres Ding, däß geht sein Gang
’s allerbeschte uhne Zwang;
glääwemar däß numme.

Ehr werrn sähne: Irchendwann
werr ich’s eich schun zeiche,
waß de Wille bei ’me Mann
— sou wie meer – bewirke kann,
awwer: muß ich alles hann??
… Häij, ’s fangt a’ se schneiche!

Gerd Runck