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Text des Monats

Monat 07/2023:
De Oba blansd e Abbelboom von Eugen Motsch

Über und durch Apfelbäume sprechen

Das Gedicht De Oba blansd e Abbelboom des pfälzischen Autors Eugen Motsch ist Mundarttext des Monats im Juli 2023, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe geeinigt. Dieser Text wurde ausgewählt, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil darin eine der besseren alles menschlichen Verhaltensweisen aufgezeigt wird: im Angesicht eigener Vergänglichkeit anderen etwas hinterlassen, das gut und nutzbringend ist und darüber hinaus auch sonst keinen Schaden anrichtet.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgesuchten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Vieles, was Martin Luther hinterlassen hat, beschäftigte in erster Linie die theologische Fachwelt. Viele Schöpfungen, die er der deutschen Sprache gab, sind auch heute noch in Gebrauch, werden aber nicht ihm zugerechnet. Nicht so das Leitwort: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“. Und gerade das, sagen Fachleute, wurde ihm erst im 19. Jahrhundert „untergeschoben“.

Wie auch immer: Der Satz wird gern zitiert. Reinhard Mey benannte sein Musikalbum „Mein Apfelbäumchen“ danach, Hoimar von Dithfurts längster Buchtitel lautet „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen – Es ist soweit“. Und selbst Gottfried Benn griff den Gedanken in einem Gedicht auf: „Was meinte Luther mit dem Apfelbaum?“

Was andere meinten und meinen, ist jedenfalls nicht schwer herauszufinden: Kommt Luthers Apfelbäumchen ins Spiel, stehen im Hintergrund in aller Regel düstere Weltuntergangsvisionen, denen man sich mit einem mehr oder minder trotzig-beherzten Dennoch oder auch Gradselääds zumindest verbal entgegenstellt.

Anders fällt das bei Eugen Motsch aus. Der Großvater, von dem das Gedicht handelt, bedarf keines Weltuntergangs, um seinen Apfelbaum zu pflanzen. Wenn auch Jüngere nicht verstehen, warum er sich diese Mühe aufhalst – trotz der hohen Wahrscheinlichkeit, dass er die Früchte nicht mehr ernten kann, ficht ihn das nicht an.

In einer Zeit, in der der staatlich organisierte Generationenvertrag immer wieder als unzuverlässig und ineffizient bemäkelt wird, mag es manchem als kurios erscheinen, dass dieser Großvater seinen eigenen auf Treu und Glauben basierenden Generationenvertrag auch im hohen Alter noch einhält. Er weiß, dass vieles nur auf ihn kam, weil seine Vorfahren vorsorgten – für ihre Nachkommen und ohne ängstlich auf ihren unmittelbaren eigenen Nutzen zu schielen. Also fühlt er sich verpflichtet, selbst auch für nachkommende Generationen vorzusorgen. Zugleich aber reicht er diese Pflicht weiter. Unser aller Leben ist – gemessen an der Weltgeschichte – nur eine kleine Episode. In dieser kurzen Spanne dazu beizutragen, dass es auch für kommende Generationen besser weiter geht – darf man damit wirklich rechnen?

De Oba blansd e Abbelboom

De Oba blansd e Abbelboom,
Am Änn vomm Wiesegarde,
Doch fer die eerschde Abbelärnd,
Messd er ball vier Johr waarde.

„Ei, Oba, du medd neinzisch Johr,
Kanschd reschne, Schdonn fer Schdonn,
Dass disch de Härrgodd abberuufd,
Was haschde dann nood devonn?“

„Isch ben e Mensch, onn hann Verschdand,
Zwei Hänn. So esch das ääwe.
Mei Vadder hadds fer misch gemach,
Onn ehr, ehr solle lääwe!

Doch a fer eisch gild das Gebood,
Ball Äbbelbääm se blanse.
Meer all senn en de Weldgeschischd,
E wensisch Schdigg vomm Ganse.

Dromm loss ons sorje off de Weid,
Wo mer noor kords drenn wohne,
Dass alles besser weidergehd,
Fer näggschde Gänneraddsjoone!“

Eugen Motsch