Text des Monats

Monat 05/2023:
Heggsenaachd von Georg Fox

Worauf Land und Leute lauern

Georg Fox
Georg Fox

Das Gedicht Heggsenaachd des saarländischen Autors Georg Fox ist Mundarttext des Monats im Mai 2023, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe geeinigt. Dieser Text wurde ausgewählt, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil er sich spielerisch mit unvermeidlichem Brauchtum und manchmal verunglückender Tradition auseinandersetzt.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgesuchten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Der Mai ist gekommen – und mit ihm nach uralter Tradition ein Kurzgastspiel ominöser Hexen, in der ersten Maiennacht aufgelegt zu allerlei Schabernack, wenn nicht gar zu groben Späßen. Beispiele zählt Georg Fox (beileibe nicht erschöpfend) im Gedicht auf. Gewiss, über „Großaktionen“ alter Zeiten, z.B. ein zerlegter Leiterwagen auf dem Dach wieder zusammengebaut und womöglich mit Mist beladen, ging die Zeit hinweg. Selbst die von Fox erwähnte Gartenbank braucht andere Plätze, seit die letzten Münzfernsprecher dem Handy gewichen sind. Übrig blieb, wo der „Brauch“ nicht nur noch mit Toilettenpapier und Glibberzahnpasta gepflegt wird, die alljährliche Hektik am Vorabend der Hexennacht: Was könnten sie diesmal anstellen? Wo muss man unbedingt vorsorgen? Und: Macht die Vorsorge nicht gar mehr Mühe als die Behebung der Hexenschäden? Dann, am nächsten Morgen, die bittere Erkenntnis: Selbst der beste Plan hat seine Schattenseiten – wie im „richtigen Leben“. Aber im nächsten Jahr! Obwohl … auch dann wird zunächst wieder die Hoffnung über die Erfahrung siegen – bis zum erneuten bitteren Erwachen.

Wie gesagt: Wie im „richtigen Leben“.

Heggsenaachd

De Milläämer
in de Hausfluur geholl,
die Fuusmadd verschdobbeld,
ess Gaardedoor ausgehängd
unn im Schubbe ingeschbòrr,
die Hausnummer abgeschraubd,
de groos Bluumedibbe
in die Garaasch gebrung.
Jeddse kinne ner kumme,
ihr Freggerde,
midd eire Heggsereije
in da Naachd!

De Mòòrje dòònòò

De Milläämer
ausem Hausfluur geholl,
Die Fuusmadd widder hingelää,
ess Gaardedoor
ausem Schubbe geschlebbd
unn widder ingehong,
die Hausnummer
widder aangeschraubd,
de groos Bluumedibbe
aus da Garaasch gebung
unn aan sei Bladds geschdelld.

Jeddse muss isch nur noch gugge,
wie mer die Gaardebangk
vumm Tellefoonsheisje
ejunnerbringe.

Die näggschde Heggsenaachd
griener misch nimmeh draan,
ihr Dreggsägg!

Georg Fox