Text des Monats

Monat 01/2023:
Neijorschdach von Hildegard Driesch

Rasche Jagd durch rasenden Jahreszeiten

Hildegard Driesch
Hildegard Driesch

Das Gedicht Neijorschdach der saarländischen Autorin Hildegard Driesch ist Mundarttext des Monats im Januar 2023, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe geeinigt. Dieser Text wurde ausgewählt, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil darin aufgezeigt wird, wie eine immer stärker aufkommende allgemeine Rast- und Ruhelosigkeit sich gerade in den Tagen des Jahreswechsels bemerkbar macht, und dass dies nicht folgenlos bleibt.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgesuchten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Wie passt das zusammen: vollmundig genannte Schlagworte wie „Entschleunigung“, „bewusstes Erleben“ einerseits und andererseits ständig beschleunigte Unrast und Hetze? Stollen und Spekulatius im September, kommerzieller Weihnachtstrubel ab Allerheiligen, schon am Heiligen Abend verdrängt von den Utensilien des lauten Jahreswechsels und der närrischen Fastnachtszeit. Gestern noch scheinbar wertvoll, heute verachtet wie abgerauchte Kippen im Aschenbecher, morgen vergessen. Odins Geisterheer, als „wilde Jagd“ nach alten Sagen in den zwölf Rauhnächten nach Heiligabend unterwegs, hat ausgedient. Das Bild, das Hildegard Driesch mit knappen Strichen entwirft, zeigt als moderne Variante der wilden Jagd getriebene Menschen, die als neumodische Narren rund ums Jahr ihrer eigenen Rastlosigkeit nachhecheln oder sich gar selbst überholen wollen. Ein pessimistisches Bild? Gewiss, dabei könnte man sich dem doch auch entziehen, wenn man es ernsthaft wollte. Oder wäre auch das nur einer der „guten Vorsätze“ zu Neujahr, die sich der Mensch unserer Tage lieber gleich erspart, weil er weiß, dass sowieso nichts draus wird?

Neijorschdach

(naumodisch)

Weihnachden?
Längschdens vorbei – 
Emmahin beinòh en Woch
De Zeit for Geheichnissa es remm
Äss wie abgewäsch em Wäschbäggen
De Gedòngen droòn … – … ausgedreggd
Wie de Zigareddenkibben em Äschenbecha
Die Rouh aus den läddschden drei Urlaubsdaan
En de Kardong gepaggd – wie de Kreschbòòmkurreln
Raschden es ròschden
Sich weidazéien gelòss
Wie vom Magnet hopp hopp
Die Vorschdellung duld't kään Paus
Emma vorwärts en dem großen Zirguss
Die zwölf Rauhnahden senn erschd halwa remm
Rauhnahden -rauhNahden- watt es dònn datt?
Girlanden Lampions on Lofdschlòngen genn offgehòngg
Et geffd Zeit
For de Pereggen on
De Kostüma raussehollen
Brauchschd dich net se vabòòzen
Beschd schon en Narr – e Getriewena
Äämol – dò haschd de dich selwa iwwaholl
Ach jòò – eh ich et vagässen – Proschd Neijohr!

Hildegard Driesch