Text des Monats

Monat 06/2022:
Weesde nach? von Renée Bertemes

Mitbringsel einer Lebensreise

Das Gedicht Weesde nach? der luxemburgischen Autorin Renée Bertemes ist Mundarttext des Monats im Juni 2022, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil darin schlicht und ganz ohne Wehleidigkeit der Lauf der Dinge in einem Leben, das man getrost ein gutes nennen darf, geschildert wird. Wunderbar auch die freigegebene Tonaufnahme, in der Klang und Sprachmelodie des luxemburger Moselfränkisch durch die Autorin hörbar gemacht wird.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgesuchten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Stadien eines Menschenlebens: Jugend, Alter und die gar nicht mal sehr lange Zeit dazwischen. Übergangszeiten gehören dazu, in denen eines nicht mehr allein bestimmt und das andere sich noch nicht wirklich etabliert hat. So lässt sich auch nicht taggenau festlegen, wann das „Alter der Jugend“ sich wandelt zur „Jugend des Alters“. Ein sicheres Indiz dürfte sein, dass die Kinder aus dem Haus sind und auf eigenen Beinen stehen. Aus der Familie mit ihrem gelegentlich turbulenten Alltag wird wieder das Paar, das sich im plötzlich so stillen Haus neu zu orientieren hat. Was bleibt, sind die Erinnerungen, das „Weißt du noch …?“ So fing es an mit uns, darüber durften wir uns freuen, diese Lasten haben wir gemeinsam getragen. Die Zeit fliegt, aber beschwere dich nicht, dass vieles vorbei ist. Wir leben noch und haben uns – wenn auch anders als im Überschwang der Jugend – noch immer lieb. Deine Hand hält fest meine. Gut, dass ich dich habe. Gib mir einen Kuss, drück mich fest, und lach wie damals. Weißt du noch …?

Die Luxemburgerin Renée Bertemes aus Bieles (Belvaux) wurde für dieses anrührende Liebesgedicht 1995 mit dem Goldenen Schnawwel ausgezeichnet.

Weesde nach?

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Deng Hand op menger Schëller,
ganz duss a voller Léift.
Die alleréischde Kéier,
Am Haus schonn alles schléifd.
Weesde nach?

Eng Wiss voll Guckucksblummen,
Eng Beess, a gläich eng no,
Rondëm eis d’Beie summen
An iwwer eis ganz blo.
Weesde nach?

En Mëtteg an de Riewen
Hues du gewot déng Fro,
„Wëlls de mech fir’d ganzt Liewen?“
Ech hu geäntwert: „Jo!“
Weesde nach?

De Wand an d’Wellen dàuschen,
An mengem Hor déng Hand,
Ech wëllt mat kengem tàuschen,
Du schmaachs no Salz a Sand.
Weesde nach?

Schnéibierjer, frouen Himmel,
Eis Bouwe fuere Schi,
Mir raschten eis eng Grimmel
Du laachs mech u wie ni.
Weesde nach?

Gutt waarm an hire Plommen,
Schleifd friddlich déif eis Band
Egal wat ach soll kommen,
Déng Hand hält fest méng Hand.
Weesde nach?

Wie stëll as ët am Hàus lo,
Eis Grous sin àusgeflunn,
Mir zwee sin noch eleng do,
Wéi gutt, dass ech dich hun!

Nu grommel nët, du wees,
D’Zäit flitt – gëff mer eng Beess,
An dréck mech fest, a laach
Wie demols – weesde nach?

Renée Bertemes