Text des Monats

Monat 11/2021:
Altverstand von Werner Treib

Wollen und Wissen und wissen wollen

Das Gedicht Altverstand des in Saarlouis geborenen Autors Werner Treib ist Mundarttext des Monats im November 2021, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe geeinigt. Der Text wurde ausgewählt, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil es dem Autor darin gelingt, einen lebensklug ironischen Blick auf sich selbst zu werfen.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgewählten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Den optimistischen Wunsch am Lebensmorgen (und später gewiss oft wiederholt) kennen auch andere: Groß und (dadurch?) auch gescheit zu werden. Gewiss, sogenannter „Ernst des Lebens“ mehrt unvermeidlich das Wissen: Alltägliches, Fachkenntnisse, Lebenserfahrung. Der Volksmund aber weiß: „Má kann so ald genn wie e Kuh – unn lernd doch immer noch dezu!“ – das bildhafte Pendant zu Altmeister Goethes pessimistischer Einschätzung aus Faust II: „Alt wird man wohl, wer aber klug?“ Auch Werner Treib gelangt zur bescheidenen lebensabendlichen Einsicht: Er wurde als „Großer“ nicht so klug, wie einst gewünscht und erwartet – allem lebenslang angehäuften Beiwerk zum Trotz. Was dem „Großen“ als wirklich wesentlich und zuverlässig bleibt, wenn sich der Weg dem Ende zuneigt, wusste auch schon das Kind. Umso verständlicher, wenn auch unerfüllbar, der Wunsch, noch einmal Kind sein zu dürfen.

Werner Treib, geboren 1936 in Saarlouis, verstarb im Juni 2021 in seinem langjährigen Wohnort Beckingen-Honzrath. Beim Saarländischen Mundartwettbewerb war er seit 1983 fünf Mal erfolgreich. Selbstständige moselfränkische und schriftdeutsche Veröffentlichungen gab es seit 1987, darunter zuletzt vier Kinderbücher. Ferner erschienen zahlreiche Texte in Anthologien und Zeitschriften.

Altverstand

Wann aich kennt, we.i aich wollt,
wär aich nommol e Kend.
We.i aich Kend wor,
hann aich emmer wollten
en groußer, gescheiter Kearl gen.
Grouß sen aich gen,
awwer wat aich wääs,
hann aich schon als Kend gewoscht.

Werner Treib