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die Bosener Gruppe

Text des Monats

Monat 10/2021:
Gute Vorsätz von Heinrich Kraus

Innenansichten, um besser zu werden

Heinrich Kraus
Heinrich Kraus

Das Gedicht Gute Vorsätz des rheinfränkische Autors Heinrich Kraus ist Mundarttext des Monats im Oktober 2021, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil darin die menschliche Beziehung zu sich selbst, zu den eigenen Unzulänglichkeiten, aber auch zur persönlichen Größe beleuchtet wird.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgewählten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Gute Vorsätze? Die gehören doch traditionsgemäß zum Jahreswechsel! Ja, und am Dreikönigstag hat man sie oft erleichtert vergessen oder erfolgreich verdrängt – bis sie zum nächsten Jahreswechsel wieder ein kurzes Gastspiel geben dürfen.

Den Band „E roisches Johr“ (1999) eröffnet zwar – naheliegend – ein Gedicht zum ersten Tag. Gute Vorsätze aber finden sich – unüblich – erst zwischen Sommer und Herbst des „ruhigen Jahres“, vielleicht weil dann gerade noch Zeit wäre, wenigstens einige von ihnen in die Tat umzusetzen. Dabei geht es keineswegs um hochfahrende Pläne, sondern eigentlich um ohnehin Selbstverständliches (was allerdings oft nicht zutrifft), beispielsweise: Frieden wahren, nach Wahrem streben, aber nicht eigene Ansichten zu absoluter Wahrheit verklären, Freunden ein guter Freund sein, nicht durch Schweigen Ungutes schaffen, wo zu reden wäre, Geduld üben, wo Menschen sich vielleicht ungeschickt verhalten, Gewesenes gewesen sein lassen, Macht nicht unangemessen ausüben. Mensch sein also, neben der Pflicht auch Spaß und Lust Raum geben und im Wissen um die Endlichkeit das Leben lieben. Die Welt diesseits und jenseits, die großen Ideale und den überschaubaren menschlichen Alltag, all das hat Heinrich Kraus (1932-2015) einleuchtend zueinander in Beziehung gesetzt. Der Verweis auf Gott, mit dem das Gedicht endet, zeigt die inhaltliche Verwandtschaft zur „Goldenen Regel“, die Jesus gegeben hat: „Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ Dass der Text dichterisch gelungen ist, darf bei einem, der in der rheinfränkischen Mundartliteratur Maßstäbe gesetzt hat, ohnehin vorausgesetzt werden.

Gute Vorsätz

Schaff dei Arwed, streb zum Ziel,
sej e Mensch mit Spaß un Mumm;
awer wäß, es blejbt nit viel.
Jedi Mauer fallt mol um.

Steh in Friede un Geduld,
sej deim Freind e guter Freind;
doch a s'Stillsin werd als Schuld
un, wer jetz lieb lacht, dei Feind.

Such die Wohrhät un ihr Sinn,
schnapp se hämlich, ohne Jachd;
awer bill dir jo nie in,
du hättscht se allän gepacht.

Lieb dei Läwe, heiß un nah,
kiß de Luscht ihr roti Schnut;
awer denk an jedem Dah,
daß de Dod mol noh dir luht.

Werscht de groß, noht hall dich klän;
Macht, wo fallt, die fallt in Spott.
Das, wo isch, war mol gewähn,
was noch kommt, bestimmt bloß Gott.

Heinrich Kraus