Text des Monats

Monat 03/2021:
Jetzt harrä de Huddel von Anton Wiesen

Göttliche Eingebung hat's verbockt

Das Gedicht Jetzt harrä de Huddel des aus Winterbach stammenden Autors Anton Wiesen ist Mundarttext des Monats im März 2021, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe geeinigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil darin das menschliche Talent, sich von jedweder Verantwortung für sein Treiben und Tun frei zu sprechen, mit göttlichem Schöpfergeist wunderbar in Szene gesetzt wird.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgewählten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Dass der Mensch die Krone der Schöpfung ist, muss, so der Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg, wohl wahr sein, denn: Es habe ihm noch kein anderes Lebewesen widersprochen. Und wie sieht es heute, rund 250 Jahre später aus? In menschlicher Sprache war eine Kritik wohl noch immer nicht zu hören. Wer mit wachen Sinnen den üblen Zustand wahrnimmt, in den die Menschheit die Erde mit ständig zunehmender Geschwindigkeit versetzt hat und noch weiter versetzt, könnte das freilich durchaus als Widerspruch deuten. Und dann versteht man auch, was Mark Twain zu dieser „Krone der Schöpfung“ anmerkt: „Gott hat den Menschen erschaffen, weil er vom Affen enttäuscht war. Danach hat er auf weitere Experimente verzichtet.“

Dass gegen Selbsterkenntnis nur Humor hilft, ist die Grundidee zu Anton Wiesens Gedicht. Sein hier durchaus grimmiger Humor geht mit seinen Überlegungen zurück zu der Zeit, in der Gott – nach dem Schöpfungsbericht der Bibel – in sieben Tagen die Welt erschaffen hat. Nein, nicht ganz, denn am siebten Tag ruhte er ja. Aber zum Abschluss des sechsten Tages schuf er die Menschen und setzte sie zu Herren über die Schöpfung ein. Hätte also, so Wiesens beeindruckender Gedanke, schon damals eine Gewerkschaft für die Fünftagewoche gesorgt, wäre dem Schöpfer und der Schöpfung wohl manches erspart geblieben. Nicht bitterernst gemeint, aber durchaus folgerichtig. Allerdings, das muss einschränkend dazu gesagt werden, wäre dann auch dieses Gedicht nicht geschrieben worden.

Der 2020 im Alter von 86 verstorbene Anton Wiesen schrieb sowohl in Mundart als auch in Schriftdeutsch. Acht Mal gehörte er zu den Preisträgern des Saarländischen Mundartwettbewerbs, Siegertexte gab es 1984 und 1986 sowie, mit dem Goldenen Schnawwel ausgezeichnet, 1993. Eine reichhaltige Sammlung seiner Texte findet sich in seinem Buch „Spurensuche – zwischen Harschberg inn Hääd“, herausgegeben von den Heimatfreunden Winterbach e.V.

Jetzt harrä de Huddel

Wie de Herrgott ferdisch war,
for die Welt
se erschaffe onn die Mensche
sellmols,
harrä nooh sechs Daa’e
endlich gesaad:
„Aweile langt’s awwer!“
On hat sich off die Kautsch gelääd.
Hätt’s sellmols
schon ä Gewerkschaft genn,
dann gäb’s hout
bestemmt kä Mensche.
Jetzt harrä de Huddel.
So gett’s, wemmä de Hals
net voll gritt.

Anton Wiesen (1933 – 2020)