Text des Monats

Matthias Zech
Matthias Zech

Monat 01/2021:
Winterschturm von Matthias Zech

Das warme Nest im Nachbarbett

Das Gedicht Winterschturm des in Speyer lebenden Autors Matthias Zech ist Mundarttext des Monats im Januar 2021, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe geeinigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil er gleich zu Beginn eines neuen Jahres den nahtlosen Übergang von einer schlafraubend schwierigen Gesamtsituation in die nächste zu erleichtern versucht.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgewählten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Winter! Brrrr! Zumindest ungemütlich, wenn nicht schlimmer. Wer ganz jung und daher geprägt ist von eher zahmen, in unseren Breiten weitgehend lauwarm-schneefreien Wintern, mag diese Empfindung nicht mehr als zwingend empfinden. Tobt aber zum Kalender-Winter draußen auch noch ein Wintersturm, kann das Pfeifen, Jaulen, Ächzen, Klappern und Poltern draußen auch bei Winterleugnern zumindest Schlaf erschweren oder gar vereiteln.

Setzen dazu auch noch schwere Gedanken ein Grübelkarussell in Gang, verhindern – zumal in ohnehin unerfreulichen Zeiten wie diesen – auch das warme Nest und die ruhig schlafende Person im Nachbarbett nicht, dass durch all das die Nacht doppelt lang und belastend wird.

Grund genug, in Schwermut zu verfallen. Wie erfreulich nimmt sich gerade dann das Rezept aus, das Mathias Zech seinem vom Wintersturm geplagten Nichtschläfer als positive lebensnahe Aussicht eingibt: Im ersten Tageslicht Kuss um Kuss die dunklen Gedanken verscheuchen lassen, und schließlich unter die Nachbardecke schlüpfen. Und das sogar, als aktueller Bezug ergänzend angemerkt, im Einklang mit den geltenden Corona-Regeln.

Matthias Zech lebt in Speyer, wo er als Diözesanreferent im Bischöflichen Ordinariat tätig ist. Bekannt wurde er seinem Lesepublikum spätestens seit 2008 durch thematisch und stilistisch breit gefächerte Texte, von denen mehrere ausgezeichnet wurden durch Spitzenpreise bei Mundartwettbewerben der rheinfränkischen Sprachregion.

Winterschturm

Ums Haus beißt bees de Winterschturm,
schloofscht neewer mer ganz fescht,
ich schloof net, en Gedankewurm
dorchzieht mei warmes Nescht.

Ich mach die Aache uff un drääm
dorchs Himmelsfenschter hoch,
die Nacht is klar, die alde Bääm
bischbern in ihre Schprooch.

Ach, wer die Nacht doch schun vorbei,
wer s doch schun widder hell,
kennt gewwe der dann Kuß um Kuß,
kennt kitzle dich am Gnick, am Fuß,
kennt endlich schluppe unne nei
unner dei Deck ganz schnell.

Matthias Zech

aus dem Buch „Leewensfarwe“, erschienen 2015 im Selbstverlag