Text des Monats

Robert Schultz
Robert Schultz

Monat 12/2020:
Weihnachtskerze von Robert Schultz

Wenn Weihnachten wieder mal vorbei ist

Das Gedicht Weihnachtskerze des aus dem pfälzischen Herxheim stammenden Autors Robert Schultz ist Mundarttext des Monats im Dezember 2020, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe per Internetabstimmung geeinigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil in diesem Text gekonnt mit den beiden oft nicht zu vereinbarenden Polen Wunsch und Wirklichkeit gespielt wird.

Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgewählten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Wenn man so will, ist es ein atypisches Weihnachtsgedicht. Nimmt es doch schon jetzt das äußerste Ende der Weihnachtszeit vorweg. Am 40. Tag nach Weihnachten feiert man nach katholischem Brauch Mariä Lichtmess. Spätestens jetzt, also am 2. Februar, ist es so weit, dass Krippen und Weihnachtsbäume die Kirchen verlassen müssen.

Im Gedicht von Robert Schultz soll dieser Schlussstrich schon Ende Januar gezogen werden, also einige Tage zuvor. Weniger aus Glaubensgründen, sondern mit der recht profanen Begründung, mit Blick auf die nahende Fastnacht könnten die Leute lachen.

Dem „Du“ im Gedicht fällt diese Trennung nicht ganz so leicht; es möchte die Kerzen am liebsten ein ganzes Jahr über am Baum im Vorgarten lassen. Das erinnert an Heinrich Bölls Weihnachts-Satire „Nicht nur zur Weihnachtszeit“, in der eine alte Dame durchsetzt, dass Weihnachten bis zur völligen Sinnlosigkeit das ganze Jahr hindurch Tag für Tag gefeiert wird.

Ist das nur lächerlich? Wie man’s nimmt. Wenn in einer friedlosen Welt der Wunsch entsteht, die freundliche Stimmung von Weihnachten dauerhaft zu erhalten, mag das unrealistisch sein, aber doch auch irgendwie verständlich.

Indessen bringt das lyrische „Ich“ des Gedichts“ eine ganz andere, zugleich realistische und liebevolle Aussicht ins Spiel: Wunsch und Versprechen, noch oft die Kerzen am Baum anzubringen, ein Sinnbild für die immer wieder neue Weihnachtshoffnung.

Den südpfälzischen Autor Robert Schultz aus Herxheim, leider schon 2007 früh verstorben, darf man durchaus als Meister seines Fachs sehen. Immer wieder bewies er seine Kunst, Texte in der Schwebe zu halten zwischen liebevoller Zuwendung und ironischer Neckerei. So auch hier. Aber dem unerfüllbaren Wunsch eine konkrete Alternative mit Aussicht auf wirkliche Erfüllung entgegenzustellen, das wünscht man sich auch für die größeren Probleme unserer Tage, nicht nur zur Weihnachtszeit.

Weihnachtskerze

Ende Januar,
länger gehts nit,
sunscht lachen d’Leid.
’S esch jo schun ball Fasenacht
un d’Lichderkerze
hänggen immer noch iwwerm Tännel
im Vorgaarde.
Ich wääß, du detscht se am liebschde ’s ganz Johr draalosse, 
dej Kerzle.
Awwer ich mecht der noch arch oft die Lichderle ans Tännel hängge derfe.

Robert Schultz

aus: Ma saacht jo bloß,
erschienen im Peter Knecht Verlag Landau, 1997