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die Bosener Gruppe

Text des Monats

Man­fred Pohl­mann
Man­fred Pohl­mann

Monat 08/2020:
Dat Haus wo Kenner wohne von Man­fred Pohl­mann

Wo Kinder gerne Kind sind

Das Lied Dat Haus wo Kenner wohne des aus Bendorf-Sayn stammenden Liedermachers Man­fred Pohl­mann ist Mundarttext des Monats im August 2020, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe bei einer Tagung geeinigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil es ein musikalischer Appell ist, der seine Aktualität nie verlieren wird.

In ihrem „Bosener Manifest“ hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden jeweils auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Einziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Textes. Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgewählten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Was das Jahr 2020 uns Erwachsenen an höchst Unerfreulichem gebracht hat und noch bringt, dazu hätten sicher alle viel zu erzählen. Was aber bedeutet es für Kinder, wenn so grob in ihr Leben eingegriffen wird? Ohne Kindergarten, Schule, Spielplätze eingesperrt, keine Gesellschaft, keine Chance für kindlichen Bewegungsdrang: Davon, sowas als „Social Distancing“ zu vernebeln, wird es auch nicht besser.

Dabei hat die offene Krise dieses Jahres doch eigentlich nur überdeutlich sichtbar gemacht, dass es um die Lebensverhältnisse für Kinder in unserem reichen Land nicht überall und jederzeit zum Besten bestellt ist.

Berücksichtigt man allerdings, dass Manfred Pohlmanns Lied schon 1985 auf Schallplatte erschien, dann ahnt man, dass Kinder auch damals schon wenig Chancen auf ein Bullerbü-Idyll hatten. Und so klingt dieser Text wie ein langer, langer Wunschzettel. Aber an wen richtet er sich? Sicher nicht an irgendwelche unsichtbaren Mächte, sondern an uns ganz gewöhnliche Menschen. Eine Welt, in der Kinder glücklich sind, war, ist und bleibt ein großes Ziel; denn nur ein einziges trauriges, unglückliches Kind ist schon eins zu viel.

Der Liedermacher Manfred Pohlmann aus Bendorf-Sayn (zwischen Koblenz und Neuwied) ist im gesamten moselfränkischen Sprachraum und auch weit darüber hinaus seit Jahrzehnten bestens bekannt. Dabei verfügt er über ein breites Spektrum an Themen und Tonfällen: Das im engeren Sinn „Poetische“ liegt ihm ebenso wie der pure Spaß oder überzeugende Stellungnahmen zum menschlichen Leben zwischen klagend, liebevoll argumentierend und bissig satirisch überspitzt.

Dat Haus wo Kenner wohne

Dat Haus wo Kenner wohne
Dat brauch kän Schickerri
Dofir en Hoofe Bonbons
Un en Sack voll Phantasie
En gruuse Kesst voll Schbillsache
Un net vergess zum Schluss
Von Mamma un vom Babba
Vierm Schloofegieh en Kuss

Die Schtroos wo Kenner schbille
Soll ohne Audus sein
Dofir met Bääm un Schträucher
Un Verschdegge „streng geheim“
E Feld met Breederbude
Un e Kooflädsche am Eck
Fir Zuggerschdän ze koofe
Zwei Fennisch nur et Schdeck

Die Schdadt wo Kenner lewe
Braucht kän Betonpaläst
Dofir ganz sicher Schbillplätz
Wo mer e Kend och Kend sein lässt
E Schwemmbad fir de Sommer
Un en Schliddebahn wenned friert
En Saal wo et goode Kasperle
Sein Spässjer präsentiert

Dat Land wo Kenner wohne
Brauch käne Fremdenhass
Doa setzen Hans un Mustaffa
Zesamme enner Klass
Un Hans verzeeld von Weihnachde
Dä Mustaffa vom Meer
Un dat ä doa noch klän woar
Un et wär joa su lang her

Die Welt wo Kenner lewe
Muss en Welt sein ohne Kreech
Un schon dä klänsde Schritt dohinn
Dat ess en gruuse Siesch
En Welt wo Kenner glegglich senn
Ess unser gruuses Ziel
Un wenn nur än Kend traurisch wär
Dat wär schon eins ze vill

Man­fred Pohl­mann