Text des Monats

Ursula Kerber
Ursula Kerber

Monat 07/2020:
Puschdebloumen von Ursula Kerber

Ein Schirmchen Hoffnung

Das Gedicht Puschdebloumen der saarländischen Autorin Ursula Kerber ist Mundarttext des Monats im Juli 2020, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe bei einer Tagung geeinigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil der darin auf die reale Welt geworfene Blick über das hinausgeht, was poetisch eingefangen werden konnte.

In ihrem „Bosener Manifest“ hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden jeweils auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Einziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Textes. Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgewählten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

„Offiziell“ heißt sie Löwenzahn, diese bescheidene Pflanze mit der auffälligen leuchtend gelben Blüte. Sie schmeckt als Salat und führt gerade dann den etwas drastischen Namen Bettsääscher. Und doch entsteht gerade aus diesem robusten Gewächs mit das zarteste Gebilde, das in unserer heimischen Pflanzenwelt vorkommt.

Hans Christian Andersen spricht von der Hundsblume, der er sein poetisches Märchen „Ein Unterschied ist da“ widmet. Es erzählt von einem ob seiner Schönheit bewunderten Apfelblütenzweig in einer Vase, der mit einer Mischung aus Verachtung und aufgesetztem Mitleid auf die gewöhnliche Blüte draußen auf der Wiese herabsieht und sich so viel besser und schöner dünkt. Aber er muss erleben, dass etwas besonders behutsam hereingebracht, zu ihm Vase gestellt und gleichfalls bewundert wird: diese Pusteblume.

Hunderte weißer Samen-Fallschirmchen bilden die zarte, fragile, feingliedrige Kugel, bevor der Wind oder ein pustender Menschenmund Lücken hineinreißt. Wenn schließlich nur der leere Stiel übrigbleibt, mag das etwas traurig aussehen. Aber gerade das ist die Bestimmung des Ganzen. die Reise ins Ungewisse anzutreten und so das von der Schöpfung bestimmt Ziel zu erreichen. Ein Bild fürs menschliche Leben?

In Psalm 103 heißt es „Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Feld; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr...“ Aus einem völlig anderen Blickwinkel zeichnet Ursula Kerber für diese „Puschdebloumen“ ein versöhnliches Bild jenseits deprimierender Vergänglichkeit.

Bei ihr ist das, was mit den Samenschirmchen über das Land schaukelt, segelt und wirbelt, Hoffnung. Es ist die Gewissheit, dass Wachsen und Reifwerden unter dem Schirmchen nicht ins Nichts führen soll, sondern dass ihm ein eigener, größerer Sinn geschenkt ist, gestern, heute und morgen im immer selben Wind.

Ursula Kerber, geboren und aufgewachsen in Saarlouis-Roden spricht und schreibt in ihrer moselfränkischen Mundart. Ihr Gedicht „Puschdebloumen“ reiht sich ein in ein poetisches Werk, das neben festem Bodenkontakt und Verwurzelung in ihrer Umwelt auch die Wahrheit jenseits des greifbar Irdischen sucht und so auch im bei oberflächlicher Betrachtung banal Scheinenden eine Seele findet.

Weitere Lyrik und Prosa in Mundart und Schriftdeutsch ist zu finden auf ihrer Homepage.

Puschdebloumen

Hoffnong
schaukelt sejelt wirwelt 
iwwer Land

Gewésshätt
vaam Ofbroch Waaßen Reifgénn 
ónnerm Schirmchin

Moar un geschder 
ém selwen Wénd

Ursula Kerber