Text des Monats

Lucien Schmitt­häusler
Lucien Schmitt­häusler

Monat 05/2020:
De Saar entlàng von Lucien Schmitt­häusler

Natur und Poesie im „Bucksesàck“

Das Gedicht De Saar entlàng des am 06 April 2020 verstorbenen Autors und Mitglieds der Bosener Gruppe Lucien Schmitt­häusler ist Mundarttext des Monats im Mai 2020, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe bei einer Tagung geeinigt. Der Text wurde im Andenken an Lucien Schmitthäusler ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, und weil dieses Gedicht scheinbar ein Stück schwerelose Autorenseele in sich trägt.

In ihrem „Bosener Manifest“ hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden jeweils auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Einziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Textes. Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgewählten Text schreibt der saarländische Autor Gérard Carau:

Ein Spaziergang an einem sonnigen Tag im Frühjahr die Saar entlang, z.B. von Saareinsming nach Saargemünd, das müsste doch die Poetenseele anregen. Lucien Schmitthäusler hat es uns vorgemacht. So geht der Dichter durch die (kultivierte, durch die Saar geprägte) Landschaft: beobachtend, hinschauend, erkennend, sich freuend ob des Gesehenen, Gerochenen, Gefühlten, Geahnten. Und um die Sinneseindrücke zu verstärken, ist da auch noch das Fläschchen Schnaps.

Eine heitere, gelöste Stimmung, man ist an die Romantiker erinnert, an Maler Müller, an Eichendorff (mit etwas weniger Ernst). Was der Poet auf seinem Spaziergang (Wanderung wäre zu viel gesagt) an Natureindrücken sammelt, steckt er stolz in seine „besace“, in seinen „Waidmannssack“. Ein anderer hätte Fotos geschossen, Lucien schießt Wortbilder: „e Schlisselblum zwische de Lippe“, „e Miessje, wu sin Loch ninn rennt“, „e Spinnenetz mit Dau versuddelt“. Was braucht der Mensch (mehr)? Der Spaziergänger wird König – wenn er nur sein Königreich in seiner Schönheit zu erkennen imstande ist: met Schnepperkapp un Knubberstock, die Saar entlang.

Wir danken Lucien, dass er uns dieses lebensbejahende, lebenslustige Poem über seine engere Saarheimat, die er so sehr liebte, hinterlassen hat. Er ist am 6. April 2020, mitten im Frühling, aus seinem Lothringen für immer gegangen. Mit Schnepperkapp, Knupperstock unn em Fläschchen Schnaps.

De Saar entlàng

Wànn’s schëne Wedder uss’em Bloe
de Sunn ins Lànd ninn schputzt im Boe
noh träm ich, dass mir luschtich wàde
dursch’s neye Grass in de Fusspàthe
  De Saar entlàng

E Schlisselsblumm zwische de Lippe
e Herz wu bollert àn de Rippe
im Bucksesàck e Fläschel Schnàps
e Schnàpsidee, e kliner Klàps
  De Saar entlàng

’S Eidechsje wu àm Steenkritz pennt
E Miessje wu ins Loch ninn rennt
E Hund wu eme Hààs nohduttelt
E Spinnenetz met Dau versuddelt
  De Saar entlàng

De Krutgaade hinner de Heck
E Dommällereboom in’erer Lick
voll Imme unn Hummelgesàng
E Boomschäd im Wasser gefàng
  De Saar entlàng

’S Ruschle von rer Qwell wu sied
gànz zàrt wie’e alt Lieweslied
De Heckeros ihr rosa Bliet
e Lersch wu hoch im Trillre steht
  De Saar entlàng

Was brucht de Mensch? Es isch kritzwinnich
E heller Dàà unn er isch Kinnich
unn trààt wie’e Kron sin Schnepperkàpp
sin Knupperstock unn als im Tràpp
  De Saar entlàng

Lucien Schmitt­häusler