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die Bosener Gruppe
Text des Monats
Monat 04/2020:
Der Sòmen von Ursula Kerber
Der Trost innerer Kräfte
Das Gedicht Der Sòmen der saarländischen Autorin Ursula Kerber ist Mundarttext des Monats im April 2020, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe bei einer Tagung geeinigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil in ihm Bild und Sinnbild, Samen und Übertragung, ebenso Pflanze und Wesen eine Mut machende Verbindung eingehen.
In ihrem „Bosener Manifest“ hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden jeweils auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Einziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Textes. Zur Bosener Gruppe gehören:
Über den ausgewählten Text schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:
Man muss kein Romantiker sein, um darüber zu staunen, was aus einem kleinen Samenkorn entstehen kann. Kurzlebiges, aber bald Wiederkehrendes wie Gras, Kraut, Blume, von dem es in der Bibel heißt: Geht der Wind darüber, ist es nicht mehr da, und die Stätte, wo es stand, kennt es nicht mehr. Groß und langlebig der Baum mit Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte dauerndem Lebenszyklus. Freilich wird nicht jeder Samen Pflanze, die auswächst aus und selbst wieder Samen hervorbringt.
Ursula Kerbers Gedicht klammert die rationale Betrachtung nicht aus, verknüpft aber die biologischen Abläufe sinnbildlich, sozusagen aus der Innensicht, mit dem Menschenleben. Stufe für Stufe zeigt dabei auf, wie viel Mut jede dieser Stationen fordert: Mut, für einen ungewissen Weg die sicher scheinende Schale aufzusprengen. Mut, mit Mühe ein zartes Pflänzchen hervorzubringen, ohne Erfolgsgarantie schwere Zeiten zu überstehen. Mut zu handeln und nicht nur zu träumen, dass es weiter geht, nicht nur mit dem eigenen, sondern auch mit künftigem Leben aus neuem Samen. Neben Hoffnung stellt sie den Mut, diese Hoffnung durch eigenes Zutun Wirklichkeit werden zu lassen.
Ursula Kerber schreibt in der moselfränkischen Mundart ihres Geburtsortes Saarlouis-Roden. Auch in diesem, auf den ersten Blick vielleicht lapidar scheinenden, Gedicht vermag sie, sogenanntem gewöhnlichen Leben jenseits aller Banalität mit poetischen und sich trotzdem spontan erschließenden Bildern eine eigene Seele einzuhauchen. Weitere Lyrik und Prosa in Mundart und Schriftdeutsch ist zu finden auf ihrer Homepage.
Der Sòmen
Kuraasch de sécher Schal ze sprengen for en ungewéssen Weech Kuraasch grooß Méihen ze ertraan for en zaart klään Plänzchen Kuraasch en lank schwäär Zeit ze iwwerstehn for neischt ze gudder Letscht – villeicht Kuraasch nét nur ze träämen vaan starken Planzen nauen Sòmen Kuraasch
Ursula Kerber