Text des Monats

Helga Schneider
Helga Schneider

Monat 03/2020:
Johre von Helga Schneider

Kaum zu glauben und zu zählen

Das Gedicht Johre der auch über die rheinland-pfälzischen Grenzen hinweg bekannten Autorin Helga Schneider ist Mundarttext des Monats im März 2020, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe bei einer Tagung verständigt. Der Text wurde ausgewählt, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil Helga Schneider am 15. März einen unglaublich runden Geburtstag feiert und man ihr auf diesem Weg Anerkennung und beste Wünsche zukommen lassen möchte. Wobei die Textauswahl nicht leicht fiel, denn die Werke, die bei den Wettbewerben in der rheinfränkischen Region ausgezeichnet wurden, sind kaum zu zählen.

In ihrem „Bosener Manifest“ hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden jeweils auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Einziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Textes. Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgezeichnetenText schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:

Verstehen kann man das Leben rückwärts; leben muss man es aber vorwärts. In dieser knappen Formel fasst der dänische Philosoph und Theologe Søren Kierkegaard eine menschliche Grunderfahrung zusammen. So ist und bleibt es wohl auch ein immer wieder neu variiertes Thema: Jugendliche Absichten, Erwartungen, Hoffnungen und im Kontrast dazu „Lebenserfahrung“, in Jahren von der Realität gelehrt. Begreifen und werten, was geschah, Ursachen, Wirkungen, unvermeidlich oder abwendbar … Dazu die Erkenntnis, welch entscheidenden Beitrag zur Lebensreife gerade auch schwerere Stunden geleistet haben.

Ihren persönlichen Blick zurück fasst Helga Schneider in ein unspektakuläres Bild: Rosen und Dornen ranken sich um Tage und Jahre des Lebens wie ums Dornröschenschloss. Schönes, Schweres – samt allem dazwischen: Sie nimmt es an als Gottesgeschenk und dankt dafür.

Helga Schneider aus Kaiserslautern veröffentlichte erste Mundarttexte vor rund 30 Jahren und zählte von Anfang an zur Spitzenklasse der pfälzisch-rheinfränkischen Literatur. Beachtlich ist allein schon die Zahl erster Preise, mit denen sie seither in verschiedenen Wettbewerben ausgezeichnet wurde; wie viele Preise es insgesamt wurden, ist kaum noch zu zählen. Ihre Gabe, nie die Bodenhaftung zu verlieren und dennoch selbst aus alltäglichem Menschenleben in ihrer kraftvollen pfälzischen Mundart bildreiche, zarte Poesie zu formen, ist und bleibt beeindruckend. Ihr herausragendes Lebenswerk wird am 26. April 2020 in der pfälzischen Mundart-Hochburg Bockenheim mit dem Preis der Emichsburg gewürdigt.

Johre

Johre.
E jedes voll Daa
mit Rose,
mit Dorne.
Wie ums Dornreesjeschloss
Ranke.

Johre,
vum Herrgott geschenkt. 
Fer Rose, 
fer Dorne 
un all das dezwische e 
Danke.

Helga Schneider