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die Bosener Gruppe
Text des Monats
Monat 01/2020:
Wär guggd nòò där Fraa? von Georg Fox
In Gedanken bei der Gebenden
Das Gedicht Wär guggd nòò där Fraa? des saarländischen Autors Georg Fox ist Mundarttext im ersten Monat des Jahres 2020, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe bei einer Tagung verständigt. Der Text wurde ausgewählt, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil darin beispielhaft an einer einzelnen Person der Finger in die Wunde derer gelegt wird, die ohne Rücksicht und ohne Mitgefühl alles für sich in Anspruch nehmen, was von jemandem – oder im übertragenen Sinn von der Natur – als geschenkt, also aus freien Stücken offeriert daherkommt und somit automatisch nicht der Rede oder einer Überlegung wert ist.
In ihrem „Bosener Manifest“ hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden jeweils auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Einziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Textes. Zur Bosener Gruppe gehören:
Über den ausgezeichnetenText schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:
Es ist eine der vielen Lebensweisheiten, die den Weg aus der Bibel in unser kollektives Gedächtnis genommen haben: Geben ist seliger denn nehmen. Was sofort auffällt: Hier heißt es „denn“ statt des uns geläufigeren „als“. Könnte allein das ein Hinweis darauf sein, dass es sich hier um eine Behauptung handelt, die sich längst überlebt hat? Nett gesagt, aber nicht alltagstauglich? Oder ist nicht vielmehr anzunehmen, dass bei ökonomischer Betrachtung nehmen zu allen Zeiten größeren Nutzen versprach als geben? Trotzdem gab es sie zu allen Zeiten: Menschen, die geben, ohne eine angemessene oder wenigstens irgendeine Gegenleistung zu erwarten.
Lapidar und dafür umso deutlicher schildert Georg Fox ein solches Geben-Nehmen-Verhältnis. Das plastische Bild einer wohl schon älteren „gebenden“ Frau, die nicht mal die „richtige“ Oma ist, also nicht zur Familie gehört. Das hinderte sie nicht, anderer Leute Sorgen zu ihren eigenen zu machen. Ob sie „genommen“ hat, ob es etwas zu nehmen gab, wie der Dank aussah, wir erfahren es nicht, sind also auf Vermutungen angewiesen. Womöglich hielten sich die Nehmenden sogar etwas darauf zugute, ihr eine sinnvolle Beschäftigung gegeben zu haben. Was wir sicher wissen: Die Sache hat sich erledigt; man muss ihr nicht mehr in die Augen schauen. Sie liegt unter dem Boden. Offiziell also: Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren. Und in der rauen Wirklichkeit: Aus den Augen, aus dem Sinn? Wär guggd jeddse nòò der Fraa? Die Frage muss offenbleiben.
Wär guggd nòò där Fraa?
Wär guggd nòò där Fraa? Es waarer niggs dsevill. Se hadd de Gaade geneddsd unn de Vochel gefidderd, wann die in Fehrje waare. Unn se hadd nòò demm Glään geluhd, als wär se die rischdisch Ooma. Se iss immer eerschd ins Bedd gang, wann die dehemm waare. Wär guggd jeddse nòò der Fraa, wo se gang iss unn unnerm Boddem leid fòr immer?
Georg Fox