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die Bosener Gruppe

Text des Monats

Ute Zimmer­mann
Ute Zimmer­mann

Monat 10/2019:
Summer­gedanke von Ute Zimmer­mann

Von der Schwere des Schmetterlings

Das Ge­dicht Summer­gedanke der pfäl­zi­schen Au­to­rin Ute Zimmer­mann ist Mund­art­text des Mo­nats im Ok­to­ber 2019, dar­auf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe bei ei­ner Ta­gung ge­ei­nigt. Der Text wur­de aus­ge­zeich­net, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und Spre­che­rin der Grup­pe, weil er knapp und präg­nant, fast wie ne­ben­bei und selbst­ver­ständ­lich, die see­li­sche Band­brei­te mensch­li­cher Exis­tenz auf­zeigt.

In ih­rem „Bo­se­ner Ma­ni­fest“ hat sich die Ar­beits­ge­mein­schaft für rhein- und mo­sel­frän­ki­sche Mund­art zum Ziel ge­setzt, die Mund­ar­ten der Re­gi­on in ih­rer her­aus­ra­gen­den Wer­tig­keit und Schön­heit zu wür­di­gen. Als ei­ne der selbst­ver­ständ­li­chen Kon­se­quen­zen hieraus soll die Dia­lekt­spra­che als Mög­lich­keit ei­ner an­spruchs­vol­len li­te­ra­ri­schen Ge­stal­tungs­form prä­sen­tiert wer­den. Preis­wür­di­ge Tex­te wer­den je­weils auf Vor­schlag der Mit­glie­der der Bo­se­ner Grup­pe aus­ge­wählt und ju­riert. Ein­zi­ges Ent­schei­dungs­merk­mal ist die li­te­ra­ri­sche Qua­li­tät ei­nes Tex­tes. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den aus­ge­wähl­ten Text schreibt der Au­tor und Spre­cher der Bo­se­ner Grup­pe Pe­ter Eckert:

Som­mer­ge­dan­ken: Schmet­ter­lin­ge, im Son­nen­licht flie­gend über leuch­ten­den Blü­ten: ei­ne gän­gi­ge Vor­stel­lung. An­ders die Schmet­ter­lin­ge über rei­fem Kohl, da­für muss man – ge­nau wie Ute Zim­mer­mann – einen Blick ha­ben. Zu­mal die­ses schein­bar sim­ple, un­ver­fäng­li­che Bild nur das ers­te Glied ei­ner lan­gen Ket­te von Ge­dan­ken­spie­ge­lun­gen bil­det. Wie das leicht und luf­tig Schwe­ben­de der Fal­ter sich spie­gelt in der Er­den­schwe­re des „Grob­ge­mü­ses“ Kohl (ne­ben­bei auch ein Syn­onym für Un­sinn), so das Zar­te, Un­greif­ba­re der See­le in der mit­un­ter vor­lau­ten Prä­senz des Leib­li­chen und all­täg­lich Ge­gen­ständ­li­chen. Und eben­so spie­gelt der Tag die Nacht, der Som­mer den Win­ter, wo­bei ge­ra­de sol­che Bei­spie­le zei­gen: Sel­ten ist zwei­fels­frei aus­ge­macht, was vor und was hin­ter dem Spie­gel ist, was re­al und was Trug­bild. Ist doch mit­un­ter bei­des gleich wahr – oder un­wahr, so­dass auch die kla­re Tren­nungs­li­nie zwi­schen dem fröh­lich lächelnd emp­fun­de­nen Wohl­füh­len des hel­len Ta­ges und dem Grü­beln Trä­nen durch­wach­ter Näch­te schwer zu or­ten ist, falls es sie über­haupt gibt. Zu­dem las­sen sich glück­li­che, zu­ver­sicht­li­che, viel­leicht so­gar ro­man­ti­sche Tag­träu­me tei­len; mit er­schre­cken­den Nacht­träu­men, in de­nen sich ver­dräng­te Sor­gen des Ta­ges hin­ter bö­sen Frat­zen ver­ste­cken, kämp­fen wir al­lein.

Ty­pisch für Ute Zim­mer­mann aus Schif­fer­stadt ist, dass ihr Werk in der Kür­ze nicht nur die Wür­ze des zwi­schen Iro­nie, Hu­mor und Ko­mik an­ge­sie­del­ten Pfif­fi­gen und Hin­ter­sin­ni­gen be­legt. Eben­so meis­ter­lich ver­mag sie, die erns­ten Sei­ten des mensch­li­chen Le­bens ein­fühl­sam aus­zu­lo­ten und leicht, aber gleich­wohl dem The­ma an­ge­mes­sen, in we­ni­ge, doch um­so tref­fen­de­re Wor­te zu fas­sen.

Summer­gedanke

Blasse Schmeddaling im Gaade
flieschen iwwer reifem Kohl.
Isch guck ne zu un fiehl misch
uff ä komischie Art wohl.

Mir sin ähnlisch leischt un lufdisch.
Lachen gern aus voller Kehl.
Doch is de Daach als noch so dufdisch,
kämpft Nacht fer Nacht mei Seel.

Ute Zimmer­mann