Text des Monats

Gérard Carau
Gérard Carau

Monat 08/2019:
Heimat, konjunktivisch von Gérard Carau

Ganz weich aus allen Wolken fallen

Das Ge­dicht Heimat, konjunktivisch des saar­län­di­schen Au­tors Gérard Carau ist Mund­art­text des Mo­nats im Au­gust 2019, dar­auf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe bei ei­ner Ta­gung ge­ei­nigt. Der Text wur­de aus­ge­wählt, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und Spre­che­rin der Grup­pe, weil dar­in in knap­pen, ein­dring­li­chen Bil­dern „Hei­mat“ zu ei­nem durch­aus wün­schens­wer­ten Ort wird.

In ih­rem „Bo­se­ner Ma­ni­fest“ hat sich die Ar­beits­ge­mein­schaft für rhein- und mo­sel­frän­ki­sche Mund­art zum Ziel ge­setzt, die Mund­ar­ten der Re­gi­on in ih­rer her­aus­ra­gen­den Wer­tig­keit und Schön­heit zu wür­di­gen. Als ei­ne der selbst­ver­ständ­li­chen Kon­se­quen­zen hieraus soll die Dia­lekt­spra­che als Mög­lich­keit ei­ner an­spruchs­vol­len li­te­ra­ri­schen Ge­stal­tungs­form prä­sen­tiert wer­den. Preis­wür­di­ge Tex­te wer­den je­weils auf Vor­schlag der Mit­glie­der der Bo­se­ner Grup­pe aus­ge­wählt und ju­riert. Ein­zi­ges Ent­schei­dungs­merk­mal ist die li­te­ra­ri­sche Qua­li­tät ei­nes Tex­tes. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den aus­ge­wähl­ten Text schreibt der Au­tor und Spre­cher der Bo­se­ner Grup­pe Pe­ter Eckert:

Hei­mat, das ist ein Be­griff, der sich aus kaum zu zäh­len­den Mo­sa­ik­stein­chen zu­sam­men­zu­setzt. Wie man da­zu steht, eher po­si­tiv oder doch ver­hal­ten, hängt si­cher da­von ab, wel­chen der vie­len Aspek­te man vor­ran­gig wahr­nimmt und der ei­ge­nen Be­wer­tung zu­grun­de legt. Aber wie auch im­mer: Hei­mat hat einen Wert an sich – jen­seits des Bil­des, in dem süß­li­che Hei­mat­schnul­zen wur­zeln.

Deut­lich Di­stanz zu ir­gend­wel­chen Kitsch-Aus­wüch­sen hält das Hei­mat­bild, das Gérard Ca­rau in sei­nem Ge­dicht schil­dert: Ei­ne Hei­mat, ge­prägt von Mit­menschen, die dich auf­fan­gen, de­nen dein Be­fin­den nicht gleich­gül­tig ist und die dich wort­los ver­ste­hen. Al­ler­dings: Die Mög­lich­keits­form, in der es durch­gän­gig ge­hal­ten ist, ver­rät deut­li­che Skep­sis, ob es die­ses Da­heim tat­säch­lich gibt, oder ob es nicht nur ein un­er­reich­tes, wenn nicht gar un­er­reich­ba­res Wunsch­bild bleibt. Ei­gent­lich scha­de, dass zwar vie­le Men­schen ei­ne sol­che Hei­mat ha­ben möch­ten, aber längst nicht al­le sie an­de­ren zu­ge­ste­hen wol­len.

Heimat, konjunktivisch

Stell dä mòò vor:

De gängschd aus alle Wólke fällen 
ónn óff äämò wären hónnert Armen dò 
wo dáich gääwden hallen

Onn wáaich gääwschde gelaat 
onn zaat gääwschde gefròòt: 
„Wie gehdet?"

Onn neischt
braischde ze saan
kää Woart
ónn jeder hätt verstann

Dat wär scheen
Dò wärschde dahämm

Gérard Carau