Text des Monats

Re­lin­de Nie­der­län­der
Re­lin­de Nie­der­län­der

Monat 10/2018:
Ern­te­dank von Re­lin­de Nie­der­län­der

Äbbel aus ’em Geschäft on Erntedank em Kalänner

Als Mund­art­text des Mo­nats Ok­to­ber 2018 wird das Ge­dicht Ern­te­dank der saar­län­di­schen Mund­art­au­to­rin Re­lin­de Nie­der­län­der prä­miert. Dar­auf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe bei ei­ner Sit­zung ge­ei­nigt. Wie die Spre­che­rin der Grup­pe, die saar­län­di­sche Schrift­stel­le­rin Ka­rin Klee, mit­teil­te, ha­be man die­ses Ge­dicht von Re­lin­de Nie­der­län­der aus­ge­wählt, weil hier ei­ne ge­wach­se­ne und über­lie­fer­te Tra­di­ti­on in einen neu­en Kon­text ge­stellt und so deut­lich wird, dass ein The­ma der glo­ba­li­sier­ten Welt auch und ge­ra­de in Mund­art­spra­che tref­fend be­ar­bei­tet wer­den kann.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Zum aus­ge­wähl­ten Text schreibt der saar­län­di­sche Schrift­stel­ler Ge­org Fox:

Ern­te­dank mar­kiert tra­di­ti­ons­ge­mäß ein Fest zum Ab­schluss der Feld- und Gar­ten­ar­beit im Ok­to­ber. Es ist Rück­blick auf die ge­leis­te­te Ar­beit und zu­gleich die Dank­bar­keit an den Schöp­fer, dem der Ern­te­reich­tum zu­ge­schrie­ben wird. Re­lin­de Nie­der­län­der schreibt ihr Ge­dicht in die­ser Sinn­ge­bung des Fes­tes und ver­knüpft die al­te Tra­di­ti­on des Dan­kens mit der frü­her­en Sit­te, wo­nach man die Mit­men­schen am ei­ge­nen Über­fluss teil­ha­ben lässt. Ih­re Ges­te wird schnö­de ver­schmäht, denn die Früch­te aus Feld und Gar­ten wer­den in Kon­kur­renz zum Dis­coun­ter ge­setzt bzw. mit Kri­tik am Qua­li­täts­stan­dard be­ant­wor­tet. Nie­der­län­der ent­larvt die „Ver­brau­cher“, weil sie sich von der bäu­er­li­chen Welt ganz weit ent­fernt ha­ben. Der Zu­gang zum Wach­sen, Rei­fen und Ern­ten ist ih­nen nicht mehr ge­läu­fig. Zu­gleich sieht die Au­to­rin den Über­fluss als un­ge­rech­te Gü­ter­ver­tei­lung in der Welt, wo in vie­len Erd­tei­len auch Hun­ger und Ar­mut herr­schen. Die­ser „Ern­te­dank“ ver­an­schau­licht mit dem ver­faul­ten Obst „un­ner’m Baam“, was an­ders­wo den Men­schen ei­ne will­kom­me­ne Hil­fe sein könn­te. Der Ern­te­dank wird glo­bal ge­se­hen und da­mit als kri­ti­sche An­mer­kung be­trach­tet, weil der Ern­te nur „im Ka­län­ner ge­dankt“ wird. Das Fest ist so­mit schnell ab­ge­hakt und schon nimmt man das nächs­te Fest ins Blick­feld.

Ern­te­dank

Die ledschde Tomade, sie hänge am Schdrauch,
ich muss´se heit owett noch bligge,
die Sunn leit im herbschdlisch Ogdoowerhauch,
duut Licht in de Schadde rinnschdigge.

De Mangold, der geht ma schunn fascht bis zum Knie,
die Kirrbisse hann digge Bagge,
de Laach, der iss dissjohr so kräfdisch wie nie,
unn Salaad hann ma meeh wie ma pagge.

Mei Noochbarin schbielt hinner’m Haus mett de Kinn,
ich gugg zu’rer iwwer die Hegge,
ich bied na Salaad an, sie saat: „Loss mool sinn,
im ledschde Salaad ware Schnegge!“

Ich gehn in die Kisch und wäsch de Salaad,
duun de Dreck unn die Schnegge rausschwämme,
dann robb ich ne scheen in Schdigge parat,
vielleicht duut mei Dochder ne nämme.

In de Wies hinner’m Gaade die Äbbelbeem,
die bresche fascht unner de Laschde,
känn Mensch will die Äbbel, die sinn nett so scheen
wie beim Aldi die Sort aus’em Kaschde.

Aa die Quetsche, sie leie vefault unner’m Baam,
im Geschäft gäbbt’s schunn Weihnachtsmänner!
Unn wie viel Mensche sinn beddelaam …
„Erntedank“ schdeht im Kalänner.

Re­lin­de Nie­der­län­der