Text des Monats

Ute Zim­mer­mann
Ute Zim­mer­mann

Monat 07/2018:
’s Hin­kel un die Wolk von Ute Zim­mer­mann

Ausgestattet mit gesundem Hühnerverstand

Das Gedicht ’s Hin­kel un die Wolk der in Schif­fer­stadt le­ben­den Au­to­rin Ute Zim­mer­mann ist Mund­art­text des Mo­nats im Juli 2018, dar­auf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe bei sei­ner letz­ten Sit­zung ge­ei­nigt. Der Text wur­de aus­ge­wählt, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und Spre­che­rin der Grup­pe, weil er ein wun­der­ba­res Text­bei­spiel da­für ist, wie ein Stück all­täg­li­cher Er­fah­rung im Mit- und Ge­gen­ein­an­der durch die Hüh­ner­fe­der ge­sagt wer­den kann.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Zum aus­ge­such­ten Ge­dicht schreibt der saar­län­di­sche Au­tor und Spre­cher der Bo­se­ner Grup­pe Pe­ter Eckert:

Fa­bel­haft, die­ses Ge­dicht, oder? Ja, denn die li­te­ra­ri­sche Form der „Fa­bel“ ist da­durch de­fi­niert, dass die von Tie­ren han­delt, manch­mal auch von Pflan­zen und Din­gen, die sich wie Men­schen ver­hal­ten, wie sie den­ken und re­den und da­durch in der Re­gel an cha­rak­te­ris­ti­sche Ste­reo­ty­pe er­in­nern. Und es trägt doch un­ver­kenn­bar mensch­li­che Züge, die­ses Huhn: Es will oh­ne die ge­rings­te Kennt­nis wich­ti­ger Zu­sam­menhänge mit­re­den und be­stim­men. Sein sta­bi­les, ge­gen Ar­gu­men­te re­sis­ten­tes Welt­bild, be­ruht auf der all­ge­mei­nen Le­bens­er­fah­rung, ergänzt um „ge­sun­den Huhn­ver­stand“. Für das Huhn steht fest: Re­gen ist schlecht, weil kalt und nass. Das ver­steht je­der. Be­haup­tet da­ge­gen die Wol­ke, oh­ne Re­gen kein Löwen­zahn, setzt das „an­spruchs­vol­les“ Den­ken um drei Ecken vor­aus. Al­so kann‘s nur Quatsch sein; wer hätte je­mals er­lebt, dass es Löwen­zahn reg­net. Die Wol­ke, in die­sem Fall die in­tel­lek­tu­el­le Über­flie­ge­rin, ist sich – ih­rer Fa­bel-Rol­le gemäß – zu scha­de, der geis­ti­gen Tief­flie­ge­rin noch ir­gend­was zu er­klären. Und das Huhn sieht sich – im­mer­hin hat es doch die Wol­ke der Lüge überführt – wie­der mal in sei­ner schlich­ten Welt­sicht bestätigt. Fa­bel­haft, denn die­ses Ge­dicht steht in bes­ter Fa­bel-Tra­di­ti­on.

Ute Zim­mer­mann lebt in Schif­fer­stadt. In Bo­cken­heim gehört sie der Ju­ry des Mund­art­dich­ter­wett­streits an und lei­tet die von ihr kon­zi­pier­te Mund­art­werk­statt. Ty­pisch für ihr Werk sind kur­ze und kürzes­te Tex­te (Ge­dich­te und Pro­sa in Mund­art und Hoch­deutsch), pfif­fig, hin­ter­gründig und hin­ter­sin­nig. Ho­no­riert wur­de das z.B. durch meh­re­re Aus­zeich­nun­gen bei Mund­art­wett­be­wer­ben der rhein­fränki­schen Re­gi­on. Un­ver­kenn­bar ist die Lust am Qu­er­den­ken, die al­ler­dings nie zum Selbst­zweck wird und sich im­mer wie­der auch selbst hin­ter­fra­gen las­sen muss. So schwebt sie, trotz der hoch ent­wi­ckel­ten Kunst, Er­geb­nis­se über­ra­schend, doch spätes­tens nach ei­ner Schreck­se­kun­de ein­leuch­tend in Wor­te zu fas­sen, nie in Ge­fahr, Bo­den­kon­takt und ih­ren hand­fes­ten ge­sun­den Men­schen­ver­stand ein­zubüßen.

’s Hinkel guggt die Wolk bees a:
Es werrd doch heit net reeschne?
Die Wolk guggt druff dess Hinkel a:
Mein Reesche is än Seesche!

Dein Seesche, sacht dess Huhn do druff,
der macht mer halt kän Spaß.
Dein Seesche is vor allem äns:
kiehl un viel ze nass.

Du liewie Zeit, määnt do die Wolk.
Stell disch doch net so a.
Uhne misch, do hättscht du doch
netmol Lewezah!

Du großie Wolk, denn Lewezah, 
denn hoscht du reeschne losse?
Die viele griene Blänzle do
mit ihre zarde Sprosse?

De Wolk awwer war dess ze dumm,
drum isse fortgezoche.
Un’s Huhn – net dabbisch – denkt bei sisch:
Die hott bestimmt geloche!

Ute Zim­mer­mann