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die Bosener Gruppe
Text des Monats
Monat 05/2018:
Arbeiterhänn von Heinrich Kraus
Spuren in und unter der Haut
Das Gedicht Arbeiterhänn des Autors Heinrich Kraus ist Mundarttext des Monats im Mai 2018, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe bei seiner letzten Sitzung geeinigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil er das Thema „Hand-Arbeit“ bildgewaltig zum stets aktuellen, weil existentiellen Thema macht.
Die Bosener Gruppe ist ein Zusammenschluss von Sprach-Künstlern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die hohe literarische Wertigkeit und Ausdruckskraft der regionalen Dialektsprache ins allgemeine Bewusstsein zu rufen. Zur Bosener Gruppe gehören:
Zum ausgewählten Gedicht schreibt die saarländische Autorin Hildegard Driesch:
Heinrich Kraus wurde am 09. Juni 1932 in St. Ingbert geboren und verstarb am 22. Oktober 2015 in Bruchmühlbach-Miesau. Seine Kinder- und Jugendjahre waren geprägt von der harten Kriegs- und Nachkriegszeit. Er wurde schon frühzeitig von einer „literarischen Unruhe“ getrieben. Als junger Mann reiste er mit dem Fahrrad durch Frankreich, Spanien, Italien … Später ging er einem „Brotberuf“ nach. 1980 wurde er freier Schriftsteller. Die Eindrücke seiner Auslandsaufenthalte (oft unter spartanischen Bedingungen) schrieb er in unzähligen Texten in unterschiedlichsten Vers- und Reimformen nieder, in freiem Rhythmus wie in Haikus.
Man liest aus seinen Texten Verständnis und Dazugehörigkeitsgefühl für die einfachen Leute, zugleich eine Art Ironie über die Menschen der gehobenen Einkommensklasse. Er lässt uns auch an seinem Glauben und ebenfalls an seinen Glaubenszweifeln teilhaben. Als Leser/in erfährt man seine gute Beobachtungsgabe wie auch sein Mitgefühl.
Heinrich Kraus schrieb auf einer Grußkarte, die als Bild einem alten Olivenbaum zeigt: „So ein alter, knorriger Baum wandert nicht gern. Er hofft, daß seine Früchte dies tun. Ähnlich geht es mit einem alten, nachdenklich gewordenen Poeten …“
Heinrich Kraus hat überreiche Früchte zurückgelassen. Er schrieb Hörspiele, Kinderbücher (die in viele Sprachen, u. a. ins Japanische, übersetzt worden sind), übertrug Texte der Weltliteratur in die rheinfränkische Mundart. Er wandte sich „An de liebe Gott“ und verfasste ebenso die „Schnuddel-Ballad.“
Als Text des Monats wurde aus dem Buch „Unser Babbe drowwe im Himmel“[1980 Pfälzische Verlagsanstalt GmbH, Landau/Pfalz] der Text „Arbeiterhänn“ ausgewählt. Der Autor beschreibt darin bildsprachlich die Hände des schwer arbeitenden Menschen, denen nichts geschenkt wird. Zunächst „wie Lilje weiß“ werden die Hände durch die schwere Arbeit, die sie verrichten müssen, „schamereert“, von Schönheit und lilienweiß keine Spur mehr. Zwischen den Zeilen liest man, mit wie viel Plackerei der Broterwerb verbunden ist. Der Autor stellt Fragen: „Forwas? Forwas?“ Und gibt, fragend, selbst die Antwort darauf. Seine bittere Erkenntnis wird, Zynismus der Natur, uns vor Augen gehalten.
Arbeiterhänn
Ach domols ware die Hänn wie Lilje weiß, ware die Fingere wääch, daß sich es Kätzje so gär wollt schmäächele losse. Noher wie e Gewitter off ämol bloß Strejt. Jeder Dah an die Maschin, wo sich wehrt gäh dei Wille: Rad, Rieme un Hewwel! Jeder Dah an es Ejse, wo sich wehrt gäh dei Fleisch: Glut, Spitz, Kant, Gewicht! Wehe, Blose un Schwiele. Narbe, nimmeh se zehle. Nächel, stump, schamereert. Odere, bloh iwer Sehne. Hornische, bräte Pranke, krumm von endloser Mieh, von Pein un Gewalt. Forwas soviel Plah? Forwas soviel Blut? Daß annere prasse? Ach, wenn die Hänn wie Lilje wejß wieder werre, is Läwe vorbej …
Heinrich Kraus