Text des Monats

Monat 12/2017:
Mol a’genumme von Gerd Runck

Wenn Wunschgedanken am Ende doch weh tun

Das Gedicht Mol a’genumme des südpfälzischen Autors Gerd Runck ist Mund­art­text des Mo­nats im De­zem­ber 2017, dar­auf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe bei sei­ne letz­ten Tref­fen ge­ei­nigt. Der Text wur­de aus­ge­wählt, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und Spre­che­rin der Grup­pe, weil er in ei­ner lo­cker leicht er­schei­nen­den Spra­che ein uto­pi­sches Ge­dan­ken­spiel wagt, das die Zei­ten über­dau­ert.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Zum aus­ge­such­ten Ge­dicht schreibt Hel­ga Schnei­der, Au­to­rin und in Kai­sers­lau­tern le­ben­des Mit­glied der Bo­se­ner Grup­pe:

Es war im Mai 1990 beim „Radieslfescht“ auf der Dannstadter Höhe. Zum ersten Mal hatte ich bei einem Mundartwettbewerb einen Preis erhalten - Platz 10 von 10 - und sah wohl ein wenig betrübt aus. Da kam vom Nachbartisch ein Mann herüber, guckte mich freundlich an, überreichte mir eine Blume vom Schießstand, klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Gell, Sie heeren net uff se schreiwe.“

Meine erste Begegnung mit Gerd Runck.

Gerd Runck, der Au­tor aus Go­dram­stein, der Ver­fas­ser von mehr als ei­nem Dut­zend Büchern, der sich in sei­ner un­ver­wech­sel­ba­ren südpfälzi­schen Mund­art – aber auch in Hoch­deutsch – zu so vie­len The­men geäußert hat. Ernst und hei­ter nahm er phan­ta­sie­voll Stel­lung zu Über­lie­fer­tem, zu Er­eig­nis­sen und ak­tu­el­len Pro­ble­men, schrieb – oft meis­ter­haft mit der Spra­che spie­lend – Ge­dich­te, Pro­sa­tex­te und Lie­der. Gerd Runck, der es so wun­der­bar ver­stand, sei­ne Tex­te zu re­zi­tie­ren. Gerd Runck, der uns Jünge­ren jah­re­lang Vor­bild und gu­ter Beglei­ter beim Schrei­ben war.

Noch oft sind wir uns nach je­nem „Ra­diesl­fescht“ be­geg­net. Mund­art­wett­be­wer­be. Buch­vor­stel­lun­gen. Te­le­fona­te. Bis auf je­nes von mir im­mer wie­der ver­scho­be­ne Te­le­fonat im Som­mer 2012.

Am 25.7.2012 verstarb er.

Sein Ge­dicht „Mol a’ge­num­me“ er­hielt im Mai 1991 den ers­ten Preis beim Mund­art­wett­be­werb Dann­stadt­er Hö­he. Wie nah ist uns bis heu­te die­ser Text!

Mol a’genumme

Mol a’genumme, ’s geeb känn Kriech…
um Geld un Macht, dodale Siech,
Gerechtichkeit un Ruhm un Ehr’ –
mit Bombe, Giftgas un Gewehr,
Vetreiwung, Trimmer, Lääd un Nout –,
um Leib un Lääwe, Blut un Doud,
un känner krimmt dar je e Hoor …
Mensch, stell’ dar sou e Welt mol vor! 

Mol a’genumme, ’s geeb känn Haß,
kä Feindbild un kä Gsellschaftsklass’,
känn Luuch un Truuch, kä Gier un Neid,
känn Zoff, kä Ricksichtslousichkeit,
kä Ausbeirung, känn Judas-Kuß,
kä Gängschter, wu ma’ Angscht hann muß,
un ’s deht sou bleiwe, Johr far Johr …
Mensch, stell’ dar sou e Welt mol vor!

Mol a’genumme, ’s geeb e Welt,
wu däß, wu wachst in Wald un Feld
’me jeerem gheert zum gleiche Dääl –
eb weiß, eb schwarz, eb rout, eb gääl
un ganz egal, uff waß far’n Gott
de äänzelne ach gschwore hot
un wie sei Sprooch äm klingt ins Ohr …
Mensch, stell’ dar sou e Welt mol vor!

– Mol a’genumme, alles wär’
wie a’genumme bis doher:
Ich ben nit sicher, eb mer all’
sefreere  wär’n in sou ’me Fall,
dann wann wie aus em Handgelenk
grad alles glatt un schmerzlous gängk
(mol a’genumme wieh’r, ’s wär’ wohr!) …
 Mensch, stell’ dar’s gar nit erscht mol vor! 

Gerd Runck