Text des Monats

Helga Schneider
Helga Schneider

Monat 11/2017:
Unnerwegs von Helga Schneider

Die Strecke zwischen faulendem Kreuz und duftenden Rosen

Das Gedicht Unnerwegs der in Kai­sers­lau­tern le­ben­den Au­to­rin Helga Schneider ist Mund­art­text des Mo­nats im No­vem­ber 2017, dar­auf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe bei sei­ne letz­ten Tref­fen ge­ei­nigt. Der Text wur­de aus­ge­wählt, so Pe­ter Eckert, Au­tor und Spre­cher der Grup­pe, weil dar­in ein höchst schwer­wie­gen­des The­ma mit be­son­de­rer ly­ri­scher Aus­drucks­kraft dar­ge­stellt und be­han­delt wird.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den aus­ge­wähl­ten Text schreibt die Au­to­rin Ka­rin Klee:

Man muss Hel­ga Schnei­der nicht persönlich ken­nen, um sie zu mögen. Aber wenn man das Glück hat, sie ein­mal wasch­echt er­le­ben zu dürfen, wird klar, sie ist je­mand, der es wahr­haf­tig liebt und ehr­lich meint. Und ge­nau das macht auch ihr Schrei­ben aus. Da wird nicht um einen mögli­cher­wei­se zu war­men Brei her­um­ge­re­det. Gibt es einen heißen Brei, dann wird er auch als sol­cher er­kannt und be­nannt.

In dem Ge­dicht „Un­ner­wegs“ setzt Hel­ga Schnei­der sich mit der un­aus­weich­li­chen Ge­wiss­heit der ei­ge­nen End­lich­keit aus­ein­an­der. Nüchtern se­ziert sie dafür einen ganz persönli­chen Le­bens­weg, der Höhen und Tie­fen al­ler Far­ben und Schat­tie­run­gen durchläuft, durch­lau­fen muss, weil das zu ei­nem anständi­gen Le­ben da­zu gehört. Den dunklen Mo­men­ten, die ver­gan­gen sind oder noch zu er­war­ten sind, ver­leiht Hel­ga Schnei­der ei­ne ganz be­son­de­re Kraft: Sie sind nicht ein­fach bloß schwarz, son­dern „rußra­ben­schwarz“, da sieht man nicht nur rot, son­dern „streich­holz­feu­er­rot“.

Mir macht die Wucht der Be­schrei­bun­gen in die­sem Ge­dicht die un­ab­wend­ba­re Sa­che leich­ter, so merkwürdig das klingt. Und wenn am En­de ein düste­res Du an­ge­spro­chen wird, das ei­nem die letz­te Tür auf­drücken hilft, so bleibt es dem Le­ser frei­ge­stellt, ob er dar­un­ter ein gött­li­ches Du, oder einen, der vor ihm da ge­we­sen und schon weg ge­gan­gen ist, oder die ei­ge­ne Kraft, das Le­ben und mit ihm den Tod an­zu­neh­men, ver­steht.

Unnerwegs

Der Weg – ’s helft mer kää Ach, kää Weh
loscht mer kää Ruh – ich muß ne geh.
Ob ’s Geschdern queelt, ob ’s Morje droht,
rußraaweschwarz, fixfeierrot,

nor weiter hääßt ’s. Mol Paad. Mol Stroß.
Do fault e Kreiz. Dort gliiht e Ros.
E Dal. Wild Wasser. Felsekeil.
Un irschendwo mei letschti Meil.

Dann nemm mei Hand, un Schritt fer Schritt
geh du aa selles Wegstick mit!
Wann mir ’s noht angscht werd, geh du vor,
drick du mir ’s uff, dei dunkles Door.

Helga Schneider