Text des Monats

Monat 05/2017:
Sei­te­lan­ge Lie­wes­brie­fe von Joana

Ein Lied vom heulenden Elend

Das Lied Sei­te­lan­ge Lie­wes­brie­fe der aus dem Schwarz­wald stam­men­den Sän­ge­rin und Song­schrei­be­rin Joana ist Mund­art­text des Mo­nats im Mai 2017, dar­auf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe ge­ei­nigt. Der Text wur­de aus­ge­wählt, so die Au­to­rin und Spre­che­rin der Bo­se­ner Grup­pe Ka­rin Klee, weil er die Kehr­sei­te des­sen, was im Won­ne­mo­nat Mai üb­li­cher­wei­se ein The­ma ist, in ver­ton­ten Ver­sen zur Spra­che bringt.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den aus­ge­wähl­tenn Text schreibt der saar­län­di­sche Au­tor und Spre­cher der Grup­pe, Pe­ter Eckert:

Das heu­len­de Elend, das ganz und gar trost­lo­se. Oh­ne ir­gend­ei­nen Aus­weg lau­fen die Ge­dan­ken im­mer wie­der im Kreis um das ver­lo­re­ne Glück – oder um das, was man dafür ge­hal­ten hat. Das ist schon schlimm, wenn das Schick­sal oh­ne mensch­li­ches Zu­tun zu­ge­schla­gen hat. Aber wenn ein Mensch da­hin­ter­steckt, ei­ner den man liebt, ge­liebt hat, im Ver­trau­en dar­auf, dass die­se Lie­be er­wi­dert wird, dann neh­men die Fra­gen gar kein En­de. Vom Him­mel auf die Er­de falln sich die En­gel tot, die­ser po­li­ti­sche Satz von Wolf Bier­mann passt auch aufs Pri­va­te, rein Per­sön­li­che: „Erscht misch in de Him­mel he­we – / un dann uff de Müll mit mir?“ Al­les er­lo­schen, von der Wär­me des Lie­bes­feu­ers in den Au­gen blieb nur schwar­zes Licht. Und da­zu Trä­nen, die nicht auf­hören wol­len und am Platz des ge­lieb­ten Men­schen so et­was wie der Phan­tom­schmerz nach ei­ner Am­pu­ta­ti­on. Vie­le, die auch mal ei­ne un­glück­li­che Lie­be er­lebt ha­ben, wer­den sich in Jo­a­nas Lied wie­der­fin­den. Ir­gend­wann in grau­er Zu­kunft könn­te Er­fah­rung dar­aus wer­den, aber das hilft nichts, so­lan­ge der Jam­mer noch so weh tut. Hein­rich Hei­ne hat es in fol­gen­de Wor­te ge­fasst: Es ist ei­ne al­te Ge­schich­te, / Doch bleibt sie im­mer neu; / Und wem sie just pas­sie­ret, / Dem bricht das Herz ent­zwei.

Jo­a­na, die ih­re Lauf­bahn vor über vier Jahr­zehn­ten als Han­si Emetz mit in­ter­na­tio­na­ler Folk­lo­re be­gann und dann als Jo­a­na mit über­wie­gend selbst ge­schrie­be­nen deutsch­spra­chi­gen Lie­dern ih­re Lauf­bahn fort­setz­te, gehört seit nun­mehr über 20 Jah­ren auch auf dem Mund­art­sek­tor zum Bes­ten, was un­se­re Groß­re­gi­on her­vor­ge­bracht hat. Bei Jo­a­na geht es um Lie­be, Po­li­tik, der mehr oder we­ni­ger ver­rück­te All­tag, auch um Trau­er oder Le­bens­lust, um ernst, um hei­ter: Ihr auf­merk­sam zu­zu­hö­ren lohnt sich im­mer.

Sei­te­lan­ge Lie­wes­brie­fe

1. Seitelange Liewesbriefe 
un dursch’s Telefon verbrenne. 
G’schenke, Blumme, Feuer-Aage …
un jetzt muß isch näschtelang bloß flenne?
Kann sisch äner so verännern? 
Des hätt isch nie gedenkt vun dir! 
Erscht misch in de Himmel hewe – 
un dann uff de Müll mit mir?

Refr.: Mir is so wund, so heiß, so schwer, 
„traurisch“ is kän Ausdruck meh’. 
Un moi Sehnsucht heul isch zu, 
des hört nät uff un dut so weh …

2. Die Sunn scheint jetzt kä bissel dunkler, 
doch isch seh bloß schwarzes Lischt. 
Un, egal wo isch a bin,
immer wiedder bloß doi Gsischt …
Hoscht misch rausgschtellt aus doim Lewe, 
isch war so oigetaucht in dir, 
daß isch disch herträum, näschtelang …
un disch in de Kisse schpür …

3. Daß es Lewe weitergeht 
sagt IHR mir so, aus weiter Ferne: 
Awwer vorher muß moi Herz
erscht mol wiedder schlage lerne

Refr.: Mir is so wund, so heiß, so schwer, 
„traurisch“ is kän Ausdruck meh’. 
Un moi Sehnsucht heul isch zu, 
des hört nät uff un dut so weh …

Joana