Text des Monats

Jo Nousse
Jo Nousse

Monat 08/2016:
Stär von Jo Nousse

Das Wunder von innen

Das Ge­dicht Stär des im Drei­län­der­eck le­ben­den Au­tors, Mu­si­kers und Pä­da­go­gen Jo Nousse ist Mund­art­text des Mo­nats im August 2016, dar­auf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe auf sei­ner letz­ten Ta­gung ver­stän­digt.

Die­ser Text wur­de aus­ge­sucht, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und Sp­re­che­rin der Grup­pe, weil er sanft poe­tisch, aber ener­gisch ernst dar­auf hin­weist, wo der Ur­sprung von Stär­ke und Strahl­kraft ei­nes je­den Men­schen ver­bor­gen liegt.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den aus­ge­such­ten Text schreibt der saar­län­di­sche Au­tor Gérard Carau:

„Plat­ta­go­nie“ hat Jo Nous­se 2009 den Ge­dicht­band be­ti­telt, in dem er sei­ne bes­ten lu­xem­bur­gisch-frän­ki­schen Ge­dich­te ver­sam­melt hat – in An­spie­lung an das „ago­ni­sie­ren­de“ Platt sei­ner Hei­mat, des „Drei­län­ner­ecks“. Ein Schwa­nen­ge­sang al­so? Ein letz­tes Auf­bäu­men vor dem un­ver­meid­li­chen Un­ter­gang? An­ge­sichts der jüngs­ten ter­ri­to­ri­al-ad­mi­nis­tra­ti­ven Verän­de­run­gen in Frank­reich (nur noch 13 Re­gio­nen, Al­sace-Lor­rai­ne-Cham­pa­gne-Ar­den­ne zu­sam­men­ge­fegt zu ei­nem „Grand-Est“) ist ein be­schleu­nig­ter Nie­der­gang der Re­gio­nal­spra­che „Platt“ (fran­ci­que) in un­se­rer Grenz­re­gi­on in der Tat zu be­fürch­ten.

Aber wie kraft­voll ist die­se Spra­che, die­ses fran­ci­que lu­xem­bour­geois von Sierck-les-Bains, Apach und Thion­ville! Jo Nous­se, der mi­li­tan­te Leh­rer, Poet, Lie­der­ma­cher und In­ter­pret (er tritt zu­sam­men mit Man­fred Pohl­mann als Grup­pe „Man­ni­jo“ auf) de­mons­triert es hier mit sei­nem Ge­dicht „Stär“, Stern: Nichts kommt dem Men­schen so ein­fach vom Him­mel her­ab ge­flo­gen. Nichts ent­zün­det ihn von außen. Was ihn er­strah­len lässt, hat sich not­wen­di­ger­wei­se aus sei­nem ei­ge­nen In­ne­ren her­aus zu ent­wi­ckeln. Die ei­ge­nen Hän­de, der ei­ge­ne Mund, die ei­ge­ne Fä­hig­keit zur Lie­be sind es, die das Wun­der des Strah­lens be­wir­ken.

Ein Plä­doy­er für die Be­wusst­wer­dung der not­we­ni­gen Ei­gen­ini­tia­ti­ve des Men­schen sich und der Welt ge­genü­ber. Aber wohl auch, an­ge­sichts des re­gio­nal­sprach­li­chen Kon­tex­tes, ein Ap­pell, den ei­ge­nen Mund, die ei­ge­ne Spra­che zu nut­zen, um sei­ne Ei­gen­art zu ar­ti­ku­lie­ren. Der Stern er­strahlt nicht mit frem­der, „hö­he­rer“ Hil­fe, son­dern nur aus ei­nem star­ken Selbst her­aus.

Stär

Kee Stär
kënnt Dir vum Himmel rofgeflunn
a steecht sech matzen an däin Häerz
fir dech vu banne straalen ze dinn.

Nëmmen
deng eegen Hänn,
däin eegene Mond
an deng eegent Léift kënnen
dee Wonner verwierklechen …

Jo Nousse
(aus: Jo Nousse – Plat­ta­go­nie, Edi­ti­ons Gau un Griis, Bou­zon­ville 2009)

Stern

Kein Stern
fällt für dich vom Himmel herab
und bohrt sich mitten in dein Herz,
um dich von innen heraus erstrahlen zu lassen.

Allein
deine eigenen Hände,
dein eigener Mund
und deine eigene Liebe können
dieses Wunder wahr werden lassen.

(Übertragung: Gérard Carau)