Text des Monats

Bruno Hain
Bruno Hain

Monat 03/2016:
Judas von Bruno Hain

Judas und die Prägung seiner Münzen

Das Ge­dicht Judas des aus dem pfäl­zi­schen Böhl-Ig­gel­heim stam­men­den Au­tors Bruno Hain ist Mund­art­text des Mo­nats März 2016, dar­auf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe auf sei­ner letz­ten Ta­gung ver­stän­digt.

Die­ser Text wur­de aus­ge­wählt, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und Spre­che­rin der Bo­se­ner Grup­pe, weil er in ge­konn­ter ly­ri­scher Knapp­heit gleich meh­re­re Be­trach­tungs­mög­lich­kei­ten zu ei­nem bib­lisch über­lie­fer­ten Ver­rat auf­zeigt.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den aus­ge­such­ten Text schreibt der saar­län­di­sche Au­tor und Spre­cher der Bo­se­ner Grup­pe, Pe­ter Eckert:

Bru­no Hain ist ei­ner der be­kann­tes­ten und – nicht zu­letzt bei der Wahl sei­ner The­men – ei­gen­wil­ligs­ten pfäl­zi­schen Mund­art­au­to­ren. In sei­nem Buch „uf m weg“ folgt er der Pas­si­ons­ge­schich­te, wenn auch nicht auf den üb­li­chen Pfa­den theo­lo­gi­scher Deu­tung des über­lie­fer­ten neu­tes­ta­ment­li­chen Tex­tes. Auf sei­nem ei­ge­nen Weg be­trach­tet und be­denkt er das Ge­sche­hen aus an­de­ren, all­ge­mein-mensch­li­chen Blick­win­keln. Nach und nach lässt er die von der Bi­bel in der Lei­dens­ge­schich­te Je­su ge­nann­ten Per­so­nen zu Wort kom­men. Ob ak­tiv be­tei­ligt, durch die Umstän­de hin­ein­ge­zo­gen oder auch nur pas­siv be­trof­fen: Sie re­flek­tie­ren die Rol­le, die sie selbst da­bei spie­len, und ge­hen so auch ein auf ih­re ei­ge­nen und frem­de Mo­ti­ve, mal be­schö­ni­gend, mal kämp­fe­risch, mal kri­tisch oder auch re­si­gnie­rend.

Nicht ganz leicht in die­ses Ras­ter ein­zu­ord­nen ist das, was Ju­das bei Hain vor­zu­brin­gen hat. Seit zwei Jahr­tau­sen­den steht sein Na­me für heim­tücki­schen Ver­rat. Selbst bei re­li­giös De­s­in­ter­es­sier­ten ste­hen Ju­das­kuss oder Ju­das­lohn noch heu­te stell­ver­tre­tend für „ver­werf­lich“. Dass die­se Sicht auf Ju­das nicht als die gan­ze Wahr­heit gel­ten kann, lässt sich durch­aus auch theo­lo­gisch be­grün­den. Im aus­ge­zeich­ne­te Ge­dicht zieht sich Ju­das auf mehr oder min­der all­täg­li­che Weis­hei­ten zurück, die selbst da kon­sens­fähig sein dürf­ten, wo Re­li­gi­on kei­ne Rol­le spielt: Dass ein Men­schen­le­ben sich nicht ge­gen Geld auf­rech­nen lässt. Und dass man nichts wirk­lich Wert­vol­les mit Geld kau­fen kann, schon gar nicht, wenn Un­recht dar­an klebt. Ei­ne in un­se­rer auf­ge­wühl­ten Zeit nicht zu un­ter­schät­zen­de Er­kennt­nis. Sie könn­te die Au­gen öff­nen für den täg­li­chen Ver­rat an den Wer­ten, für die un­ser Kul­tur­kreis an­geb­lich steht.

Judas

was wiegen
dreissisch silwerling
geje
ää menscheläwe

silwergeld
hot schnell soin glonz verlore
un losst bloss schwer sich ufboliere
wonn e jedie silwerminz vum uurecht isch geprägt
un kaafe losst sich nix defor
kää stickel frääd
kään sunneschoi
un aa net de himmel

Bruno Hain

aus: uf m weg
edition Tintenfaß, Neckarsteinach