Text des Monats

Norbert Schneider
Norbert Schneider

Monat 07/2015:
Summer im Lewe von Norbert Schneider

Er-Lebenswelten

Das Gedicht Summer im Lewe des aus Reh­born im Kreis Bad Kreuz­nach stam­men­den Au­tors Norbert Schneider ist Mund­art­text des Mo­nats Ju­li im Jahr 2015. Da­rauf hat sich das Kol­lo­qi­um der Bo­se­ner Grup­pe auf sei­ner letz­ten Ta­gung ver­stän­digt.

Die­ser Text wur­de aus­ge­sucht, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und ei­ne Spre­che­rin der Bo­se­ner Grup­pe, weil Nor­bert Schnei­der dar­in in un­ver­wech­sel­ba­rer Wei­se sei­ne Sicht auf die Din­ge des Le­bens preis­gibt; aber wie: oh­ne Be­dau­ern und oh­ne Kla­ge.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Zu dem aus­ge­such­ten Text schreibt der Au­tor und Spre­cher der Bo­se­ner Grup­pe Pe­ter Eckert:

Nor­bert Schnei­der aus Reh­born (Kreis Bad Kreuz­nach) ist ei­ner der be­kann­tes­ten pfäl­zi­schen Mund­art­au­to­ren und mit über 70 Aus­zeich­nun­gen mög­li­cher­wei­se der in den Mund­art­wett­be­wer­ben zwi­schen Saar und Rhein er­folg­reichs­te. Sein Werk ge­winnt den ihm ei­ge­nen be­son­de­ren Cha­rak­ter durch die Nähe zum ganz nor­ma­len Men­schen­le­ben, mal do­ku­men­tie­rend, mal mit Hu­mor und Iro­nie, mal ernst und be­sinn­lich, oft be­wah­rend, aber nie rück­wärts­ge­wandt. Zu sei­nem Ge­dicht „Sum­mer im Le­we“ fal­len min­des­tens zwei Ver­bin­dun­gen zu pro­mi­nen­ten Wer­ken der „klas­si­schen“ Li­te­ra­tur spon­tan auf: die ei­ne ist Fried­rich Höl­der­lins „Hälf­te des Le­bens“, die an­de­re Goe­thes Faust mit „Ver­wei­le doch! du bist so schön!“.

Da­mit al­ler­dings sind die Ge­mein­sam­kei­ten weit­ge­hend er­schöpft. Denn an­ders als bei Höl­der­lin lässt hier nicht der Ge­dan­ke an den Win­ter den Lob­preis des Som­mers jäh in Jam­mer um­schla­gen. Eben­so we­nig zum Vor­bild taugt ein Faust, der an den zi­tier­ten Satz sein Schick­sal bin­det: „Werd ich zum Au­gen­bli­cke sa­gen: / Ver­wei­le doch! du bist so schön! / … / Dann will ich gern zu­grun­de gehn!“

Bei Nor­bert Schnei­der sieht das ganz an­ders aus. Sein mit den Stein­chen  „schon“ und „noch“ zu­sam­men­ge­setz­tes Au­gen­blicks-Le­bens­mo­sa­ik weiß auch das schein­bar Selbst­ver­ständ­li­che zu wür­di­gen, zu­mal man erahnt, wie ge­fähr­det und ver­gäng­lich das al­les ist: Die El­tern noch zu ha­ben, noch gern zur Ar­beit ge­hen, noch träu­men kön­nen und Hun­ger aufs Le­ben zu ha­ben; das steht stell­ver­tre­tend für vie­les, was si­cher ein je­der ger­ne fest­hal­ten kön­nen möch­te. Zu dumm, dass die Zeit auch dann wei­ter läuft, wenn die Uhr an­ge­hal­ten wird, die Bat­te­rie ent­nom­men, die Zei­ger ab­ge­bro­chen. Das än­dert aber nichts an dem Wunsch, die Freu­de am Gu­ten des Le­bens­som­mers so auf­zu­be­wah­ren, dass we­nigs­tens die Erin­ne­rung et­was Licht und Wär­me in die ganz si­cher noch kom­men­den kal­ten und dunklen Win­ter­ta­ge hin­ü­ber­ret­tet.

Summer im Lewe

Nimmi ganz so jung sei –
awwer mer geheert aach noch nit zu de Alde.

Vadder unn Mudder noch hunn –
awwer die eijene Kinn sein schunn aus‘m Dreck.

Met de Welt unn sich sefreere sei –
awwer mer dräämt noch vun manche Sache.

Schunn fuffzeh Johr schaffe gieh –
awwer alsfort fährt mer noch geere uff die Arwet.

Schunn e Haufe Erfahrunge hunn –
awwer mer hot noch Hunger uff s Lewe.

        Jetz
        mischt mer
        die Uhr oohalle,
        die Zeijer abbreche,
        die Badderiee erausnemme.

        Jetz ess Summer im Lewe.
        Jetz muß mer ufftangge
        fa die Winderdaae,
        wo noch kumme,
        irchendwann.

Norbert Schneider