Text des Monats

Matthias Zech
Matthias Zech

Monat 05/2015:
dass ich dich net vergess von Matthias Zech

Die schönste Seite der Trennung

Das Gedicht dass ich dich net vergess des aus Neu­stadt/Wein­stra­ße stam­men­den und in Spey­er le­ben­den Au­tors Matthias Zech ist Mund­art­text des Mo­nats Mai im Jahr 2015. Da­rauf hat sich das Kol­lo­qi­um der Bo­se­ner Grup­pe auf sei­ner letz­ten Ta­gung ver­stän­digt.

Die­ser Text wur­de aus­ge­wählt, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und ei­ne Sprech­rin der Bo­se­ner Grup­pe, weil hier ei­ne ei­gent­lich schmerz­haf­te Erin­ne­rung durch die Wahl der Bil­der und Wor­te ei­ne neue, über je­des Weh hin­aus­ge­hen­de Er­kennt­nis eröff­net, näm­lich die, dass es eben kei­nes­falls der Schmerz ist, der blei­ben­de Wer­te zurück­lässt.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Zu dem aus­ge­such­ten Text schreibt der Au­tor und Spre­cher der Bo­se­ner Grup­pe Pe­ter Eckert:

Wenn Woo­dy Al­len fragt, ob ei­ne Erin­ne­rung et­was ist, das man hat, oder et­was, das man ver­lo­ren hat, ließe sich ein­leuch­tend ant­wor­ten, ver­lo­ren sei al­len­falls das, wor­an man sich er­in­ne­re, die Erin­ne­rung selbst aber be­hal­te man. Vor al­lem dann, wenn man, wie Paul Hör­bi­ger rät, für an­ge­neh­me Erin­ne­run­gen im Voraus ge­sorgt hat.

Bei­de Ar­ten des Um­gangs mit Erin­ne­run­gen fin­den sich im Ge­dicht von Matt­hi­as Zech. Wir müss­ten Mut­maßun­gen an­stel­len, was Grund oder An­lass der vor­an­ge­gan­ge­nen Tren­nung ist und ob sie vor­ü­ber­ge­hend oder dau­ernd sein wird. Um­so deut­li­cher ge­wah­ren wir Tren­nungs­schmerz in und zwi­schen al­len Zei­len. Da­zu die Verzweif­lung, die in letz­ter Mi­nu­te ver­blie­be­ne Spu­ren als ganz be­son­de­re Erin­ne­rungs­stü­cke be­wah­ren will. Neh­men frem­de Au­gen sie über­haupt wahr, dürf­ten sie dar­in kaum wert­vol­le An­den­ken er­ken­nen. Eher könn­ten sie als störend emp­fun­den wer­den: die Spur der Na­sen­spit­ze auf der Fens­ter­schei­be, der Strich, den der Ze­hen­na­gel auf den Bo­den­plat­ten ge­zo­gen hat, der Rot­wein­fleck auf dem Tisch und die Trä­ne auf dem Trep­pen­gelän­der. Es ist auch kaum an­zu­neh­men, dass sie mit Werk­zeu­gen wie Na­gel­sche­re und Sä­ge­mes­ser wirk­lich zu si­chern sind. Was bleibt, sind auch hier nur die Bil­der, die das Herz sich be­wahrt. Et­was, was man hat, oder et­was, was man ver­lo­ren hat? Wie auch im­mer: Ein wert­vol­les Gut, selbst wenn es so un­end­lich weh tut.

Matt­hi­as Zech stammt aus Neu­stadt/Wein­straße und lebt in Spey­er. Er ist als Diö­ze­san­re­fe­rent im Bisch­öf­li­chen Or­di­na­ri­at in Spey­er tätig. Seit er 2008 beim Mund­art­dich­ter­wett­streit in Bo­cken­heim den „Preis fer Neie“ er­hielt, er­scheint sein Na­me re­gel­mä­ßig bei den Preis­trä­gern von Mund­art­wett­be­wer­ben der pfäl­zisch-rhein­hes­si­schen Re­gi­on.

dass ich dich net vergess

den feine fedde dubbe
vun deinre naseschbitz
do an de fenschderscheib
vum waade letschdie nacht
den schneid ich aus’m glas
mim klänne nachelscherle
un hewen uff ganz unne
dief immeim schneggehaus
dass ich dich net vergess
dass ich dich net vergess
 
die winzisch schdaawisch’ schpur
vum nachel vun deim zeh
do uffem eigangsbodde
vum hubbs’r an d’hals d’letschd nacht
die klobb ich aus de bläddle
mim brääde korze määßel
un lech se ganz ganz sacht
unner mei kobbekisse
dass ich dich net vergess
dass ich dich net vergess
 
den runde rote weirand
mit farb grad wie dein mund
do uffem kichedisch
vum schlawwre letschdie nacht
den sääch ich aus de dischplatt
mim große zackemesser
un häng mern um de hals
druff uff mei runzelhaut
dass ich dich net vergess
dass ich dich net vergess
 
den glänzisch’ dräänedrobbser
versteckelt aus deim aach
do uffem trepp’geländer
vum fortgeh letschdie nacht
den flex ich aus dem laafgriff
un stellen inne vas
wie blumme
uff mein schreibdisch
dass ich dich net vergess
dass ich dich net vergess

Matthias Zech