Text des Monats

Ha­rald Ley
Ha­rald Ley

Monat 11/2014:
Rei­se nach Je­ru­sa­lem von Ha­rald Ley

Dem Dunkel auf der Spur

Das Ge­dicht Rei­se nach Je­ru­sa­lem des Saar­louiser Au­tors Ha­rald Ley ist Mund­art­text im No­vem­ber 2014. Da­rauf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe ge­ei­nigt.

Die­ser Text wur­de aus­ge­wählt, weil sei­ne poe­ti­schen Bil­der ei­ne ge­sell­schaft­li­che Ent­wick­lung wi­der­spie­geln, die es nötig hat, dass man sie erst be­nennt, um sie an­sch­ließend so­fort in Fra­ge stel­len und bekämp­fen zu kön­nen, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und Spre­che­rin der Bo­se­ner Grup­pe.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den Text schreibt die Au­to­rin Ur­su­la Ker­ber:

Gleich vor­weg ge­sagt: Ha­rald Ley, viel­fach aus­ge­zeich­ne­ter Mund­art-Au­tor, hat Mut!

Nicht zum ers­ten Mal greift er ein The­ma auf, das in un­se­rer haupt­säch­lich auf Ge­win­ner und Er­fol­ge aus­ge­rich­te­ten Ge­sell­schaft im­mer noch ein Ta­bu ist.

Bur­nout, De­pres­si­on, Schei­tern ste­hen nur sel­ten im Blick­punkt, ge­le­gent­lich aus „pro­mi­nen­tem“ An­lass.

„Rei­se nach Je­ru­sa­lem“ nennt der Au­tor sein Ge­dicht. Wer jetzt an das be­lieb­te Ge­sell­schaftss­piel denkt, kennt die Re­geln, weiß, wie Ver­lie­ren pas­sie­ren kann im Ju­bel für den Sie­ger. In die­sem Mo­ment schaut Ha­rald Ley sehr ge­nau hin und gibt dem Ver­lie­rer (s)ei­ne Stim­me. Frei­mü­tig, scho­nungs­los of­fen, von Zei­le zu Zei­le atem­lo­ser zeigt der, der end­lich zu Wort kommt, sei­ne schier aus­weg­lo­se Si­tua­ti­on. Zu­letzt fas­sungs­los, re­si­gniert, sich selbst fremd, fragt er: „Bénn eich dat, iw­wer den se la­chen??“ und er­war­tet längst kei­ne Ant­wort mehr.

Der Schluss­satz die­ses be­ein­dru­cken­den Tex­tes ist ei­ne Her­aus­for­de­rung und darf in ei­ner mensch­li­chen Ge­sell­schaft nicht das letz­te Wort sein.

Rei­se nach Je­ru­sa­lem

Schwarzgròò drécken vom Hémmel
Wólken meinen Gedanken de Louft ab
Kään Stourm zéiht off, kään Léftchin treift se
Iwwer dounkel Wasser aus meiner Erénneroung

Et Leewen dräht séch vòr mer häer,
laaft neewendraan onn dréckt vonn hénnen
en Musick spillt mer durch de Kopp
geht ään Ohr rénn onn ään Ohr raus

Stéll drähn eich meich allään
et wòòr kään Plätz meh frei fòr meich
kään Plätz émm Leewen meh gefonn
mein Plätz verlòòr, eich hott verlòòr

Bénn eich dat, iwwer den se lachen??

Enn Jerusalem, dòò schleen se deich aan’t Kreiz

Ha­rald Ley