Text des Monats

Re­lin­de Nie­der­län­der
Re­lin­de Nie­der­län­der

Monat 09/2014:
Als wei­der von Re­lin­de Nie­der­län­der

Und das Leben geht „als weider“

Das Ge­dicht Als wei­der der in Hom­burg-Bee­den le­ben­den Au­to­rin Re­lin­de Nie­der­län­der ist Mund­art­text im Sep­tem­ber 2014. Da­rauf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe ge­ei­nigt.

Der Text wur­de aus­ge­wählt, weil er sich in ganz be­son­de­rem Ma­ße durch Klar­heit aus­zeich­net: Da­zu zählen ei­ne schnör­kel­lo­se Spra­che, ei­ne ein­deu­ti­ge Aus­sa­ge und ei­ne un­auf­dring­li­che, aber fol­ge­rich­ti­ge Art des Den­kens.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den Text schreibt Ka­rin Klee, Au­to­rin und Spre­chin der Bo­se­ner Grup­pe:

Auf die ent­schei­den­den Fra­gen im Le­ben gibt es oft kei­ne oder eben nur un­zu­rei­chen­de Ant­wor­ten. Das hat auch die Au­to­rin Re­lin­de Nie­der­län­der schon er­fah­ren müs­sen, be­trach­tet man ih­ren 2010 im Pa­ra­ple Nr. 19 er­schie­ne­nen Text „Als wei­der“. Es ist ein sehr per­sön­li­ches Ge­dicht, und es enthält ei­ne al­te Ge­schich­te über ei­ne be­kann­te Sa­che: Als jun­ger Mensch weiß man nicht 'wo­hin', das Le­ben zeigt sich als ein un­be­kann­ter Weg, den man ein­fach ge­hen muss. Im 'Lau­fe' der Le­bens-Zeit spielt sich das Le­ben ab. Man macht schwe­re und schlech­te Er­fah­run­gen, die einen zu ei­nem „Ich maan nim­mi“ ver­lei­ten kön­nen. Dann kön­nen nur noch gu­te und glück­li­che Men­schen und Mo­men­te da­bei hel­fen, auf dem ei­ge­nen Weg zu blei­ben. Es sind die prä­gnant kla­ren und un­eit­len Bil­der und die un­miss­ver­ständ­lich ge­rad­li­ni­gen Schluss­fol­ge­run­gen, die das Ge­dicht aus­zeich­nen. Wenn Re­lin­de Nie­der­län­der am En­de schreibt „Ich gehn im­mer noch grad­aus … Als wei­der!“, dann dür­fen wir ihr das ge­trös­tet glau­ben.

Als wei­der

Wo anne bloß?
Wenn de jung bischt, 
hann se gesaat,
schdehn da alle Wääge offe!
Du muscht Dei Wääg gehn!
’S gäbbt immer e Wääg, hann se gesaat,
wo e Wille, do iss e Wääg! 

Unn dann bin ich geloff.
Am bäschde gradaus, hann ich gedenggt.
Eewe war er nett, mei Wääg,
das hann ich ganz schnell gemergt.
Digge Schdollwerschdeen hann drinngelää.
Ich bin iwwer Mordsbrogge gekrawwelt
unn in Schlammlescher ausgerutscht,
ich hann mich in Nessele gesetzt
unn ma batschnasse Fieß gehool.

Manchmool hann ich mich hingehuggt 
unn gesaat: Ich maan nimmi.
Dann hann ich mich doch widder uffgerabbelt:
Als weider!

Doch ich hann uff demm Weg aa Mensche getroff,
mett denne ich lache konnt.
Dann hatt die Sunn bloodere geschien,
weeches Gras iss gewachs, herrliche Blume hann geduft
unn meer hann Borzelbeem geschlaa! 
Ich dengge mool, es hatt kenn annerer Wääg fa mich gäbb.

Ich gehn immer noch gradaus …
Als weider!

Re­lin­de Nie­der­län­der