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die Bosener Gruppe
Text des Monats
Monat 06/2014:
Friehstick von Helga Schneider
Frühstück mit einer kritischen Klassikerin
Das Gedicht Friehstick der frisch preisgekrönten, in der Pfalz beheimateten Schriftstellerin Helga Schneider ist Mundarttext des Monats Juni. Darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe geeinigt.
Dieser Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und eine Sprecherin der Gruppe, weil in ihm bildhaft und einprägsam knapp ein urmenschliches Dilemma aufgezeigt wird: Während das Leben des einen Menschen von Wohlstand und allerlei Gutem erfüllt ist, existiert zur selben Zeit an einem anderen Ort jemand, dem es ganz und gar nicht gut (er-) geht. Wenn man das weiß, kann man sich dann noch an seinem Glück erfreuen?
Die Bosener Gruppe ist ein Zusammenschluss von Sprach-Künstlern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die hohe literarische Wertigkeit und Ausdruckskraft der regionalen Dialektsprache ins allgemeine Bewusstsein zu rufen. Zur Bosener Gruppe gehören:
Über den Text schreibt der saarländische Autor Peter Eckert, Sprecher der Bosener Gruppe:
Auf den ersten Blick einladend wirkt dieses Bild, das Helga Schneider beim Frühstück entwirft. Zunächst scheint der Sonnenstrahl ein lyrisches Stillleben mit freundlichem Licht einzuhüllen. Danach tritt der Beschauer mit den versammelten Lebensmitteln eine Blitzreise um den Globus an, beginnend beim Bäcker in Kaiserslautern und schließlich mit dem Tischschmuck aus Afrika an den heimischen Frühstückstisch zurückkehrend. An diesem Tisch lässt man es sich in so guten Zeiten gern wohl ergehen. Und um gar nicht erst daran erinnert zu werden, dass die Zeiten anderswo so erschreckend unfreundlich sind wie früher bei uns, bringt man noch rasch die Zeitung außer Blickweite. Jetzt ist die Welt in Ordnung, und das ungetrübt gemütliche Frühstück kann beginnen.
Helga Schneider gewann soeben im Dannstadter Mundartwettbewerb einen weiteren 1. Preis zu ihren kaum noch zu zählenden Auszeichnungen hinzu. Immer wieder versteht sie es meisterlich, ihr für Außenstehende eher schmuckloses Alltags-Westpfälzisch, zur klang- und bildreichen Dichtersprache zu transformieren, ohne dabei den Eindruck zu erzeugen, sie sei gekünstelt oder volkstümelnd. In ihrem Werk finden sich z.B. stimmungsvolle Naturlyrik ebenso wie Betrachtungen zum menschlichen Leben rund ums Jahr. Auch die pfälzische Heimat hat ihren festen Platz, liebevoll, aber nie kritiklos verherrlichend. Daneben stehen treffsichere Beobachtungen ihrer bzw. unserer zuweilen mehr als seltsam sich gebärdenden Umwelt und zeitkritische Kommentare, aus denen bei aller verständlichen Distanz doch immer auch viel Liebe zu Menschen spricht. Helga Schneider zählt schon zu Lebzeiten unbestreitbar zu den Klassikern der pfälzischen bzw. der rheinfränkischen Mundartdichtung.
Friehstick
E sunneheller Strahl uff de Dischdeck. Frische Weck vum Bäckerauto aus Lautre, Milch ausem Allgai, Honisch aus Kanada, Butter aus Holland, Kaffee aus Brasilie, e Blummestrauß aus Afrika. „Gut sinn die Zeite jetzt do bei uns“ saat die Oma. „Leej dabber die Zeitung eweg!“
Helga Schneider