Text des Monats

Lucien Schmitthäusler
Lucien Schmitthäusler

Monat 05/2014:
Dine Aue von Lucien Schmitthäusler

Der Mai und die leuchtenden Blicke

Das Gedicht Dine Aue des Loth­rin­ger Au­tors Lucien Schmitthäusler ist Mund­art­text des Mo­nats Mai. Da­rauf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe auf sei­ner Früh­jahrs­ta­gung 2014 ver­stän­digt.

Der Text wur­de aus­ge­wählt, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und ei­ne Spre­che­rin der Grup­pe, weil dar­in Wahr­neh­mung, In­ne­res und Außen­welt ei­ne außer­ge­wöhn­li­che Ver­bin­dung ein­ge­hen und so Zei­le für Zei­le zu ei­ner Lie­bes­er­klärung wer­den.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den Text schreibt der saar­län­di­sche Au­tor Gérard Ca­rau:

Im­mer schon wa­ren und sind Au­gen und Bli­cke (ob bei Mensch oder Tier) et­was be­son­ders Fas­zi­nie­ren­des, im po­si­ti­ven wie ne­ga­ti­ven Sin­ne. Sie ver­ra­ten so viel, ge­wollt oder un­ge­wollt. Sie er­gän­zen das ge­spro­che­ne Wort, kön­nen es kor­ri­gie­ren oder wi­der­le­gen. Man muss die Bli­cke nur zu deu­ten ver­ste­hen. Leicht ist das nicht, schnell hat man da et­was miss­ver­stan­den. Selbst der sprach­mäch­ti­ge Jo­hann Wolf­gang von Goe­the fühl­te sich sei­ner­zeit zu ei­ner (hof­fent­lich nicht nur rhe­to­ri­schen) Fra­ge ver­an­lasst, als er an Frau von Stein den berühm­ten Vers rich­te­te: „Wa­rum gabst du uns die tie­fen Bli­cke … ?“. Die Au­gen, die Bli­cke sind Ein­fall- und Aus­fall­to­re von außen nach in­nen und um­ge­kehrt. Sie neh­men die Außen­welt auf („Au­gen, mei­ne lie­ben Fens­ter­lein …“, Gott­fried Kel­ler) und wi­der­spie­geln die In­nen­welt. Und ge­ra­de auf die­sem Ge­biet ent­wi­ckeln sie ei­ne be­son­ders hef­ti­ge, nicht leicht zu ver­ste­hen­de Dy­na­mik.

Lu­ci­en Sch­mit­thäus­ler hat in sei­nem Ge­dicht „Di­ne Auen“ in sei­ner Spra­che, dem Rhein­frän­ki­schen aus der Saar­gemün­der Ge­gend, sei­nen Bei­trag zu die­ser ewig gül­ti­gen „Part­ner-Au­gen­be­geg­nung“ ge­leis­tet. Der ru­hi­ge, bes­ser: „ru­hen­de“ Blick des Ge­genü­bers/der „Ge­genü­be­rin“ setzt ge­heim­nis­vol­les Licht aus dem In­ne­ren frei, er­freut das Herz, lässt er­blühen wie der Mai, ver­un­mög­licht je­de Lü­ge zwi­schen den Part­nern, macht je­des Wort wahr, macht die Welt ein­fach schön, wie es eben der Mai zu tun ver­steht. Man muss noch ein­mal auf Goe­the zurück­grei­fen: „Wie leuch­tet dein Au­ge, wie lieb’ ich dich …“ (Mai­lied).

Ein schö­nes Mai­lied, oh­ne dass auch nur ein­mal auf den Mo­nat an­ge­spielt wor­den wä­re.

Dine Aue

Wenn dine Aue uff ebbes ruhn,
kriejt ’s klinscht Ding zehn Mèchlichkätte,
wie wenn se Licht im Innre hätte,
wu alles uffweckt iwerm Luhn.

Din Blick losst alles ney uffbliehe
unn dringt in Herz unn Aue vor.
’S allerklinschte Word wird wohr,
unner din’m Blick brucht nimond lieje.

Du saajch nit: mach sell oder jenes;
loss diss do, zieh ànneres vor.
Denn was zu Licht wird, wird zu Schènes.
Din Blick hat mini Weld gebor.

Lucien Schmitthäusler