Text des Monats

Jo­han­nes Kühn
Jo­han­nes Kühn

Monat 02/2014:
Datt wäss net je­rer von Jo­han­nes Kühn

Langsam o gedellisch mit 80

Er ist ei­ner, der ei­gent­lich und in­zwi­schen zum Glück aus­sch­ließ­lich nur das tut, was er am bes­ten kann: Ge­dich­te schrei­ben. Jo­han­nes Kühn, über­re­gio­nal be­kannt, hoch­de­ko­riert und mit Recht viel­ge­lobt. Um ihm auf li­te­ra­ri­schem We­ge zum 80s­ten Ge­burts­tag, den er am 2. Fe­bru­ar be­ge­hen wird, zu gra­tu­lie­ren, hat das Kol­lo­qi­um der Bo­se­ner Grup­pe, zu des­sen ak­ti­ven Mit­glie­dern Jo­han­nes Kühn zählt, für den Fe­bru­ar 2014 sei­nen Text Datt wäss net je­rer als Mund­art­text des Mo­nats aus­ge­wählt.

Man hat sich für die­ses Ge­dicht ent­schie­den, so Ka­rin Klee, Au­to­rin und ei­ne Spre­che­rin der Grup­pe, weil in die­sem Fall und auf die­sem Weg mit ei­ni­gen ly­ri­schen Zei­len mehr ge­tan und aus­ge­sagt wird als mit Blu­men und Ge­schen­ken; von der Qua­lität des Tex­tes ganz zu schwei­gen.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Zu dem aus­ge­such­ten Ge­dicht schreibt die in Wa­dern le­ben­de Au­to­rin Ka­rin Klee:

Das Al­ter ist kei­ne Tu­gend, egal wie man es dreht und wen­det. So oder so ähn­lich kann man es aus vie­len der ak­tu­el­le­ren Ge­dich­te von Jo­han­nes Kühn her­aus­le­sen. Und wirk­lich: Da spricht ei­ner, der es weiß, weil er es am ei­ge­nen Leib, am ei­ge­nen Emp­fin­den je­den Tag neu er­fährt. Scho­nungs­los of­fen, doch gänz­lich oh­ne Selbst­mit­leid, äußert sich hier ei­ner der bes­ten un­ter den deut­schen Ly­ri­kern darü­ber, was es heißt, in die Jah­re ge­kom­men zu sein. Und das Schöns­te dar­an: Er, der Dich­ter, er er­lebt es und schreibt es auf! Für al­le, die ihn ken­nen und mit ihm ar­bei­ten dür­fen, ist es fast un­glaub­lich, dass er ab dem 2. Fe­bru­ar die­ses Jah­res 80 Len­ze alt sein soll, aber es ist wahr. So wahr und wahr­haf­tig wie er selbst, wenn er – wie im vor­lie­gen­den Text – sei­ne kri­ti­sche Selbst­be­trach­tung in Has­bor­ner Platt packt, sich al­so sei­ner Mut­ter­spra­che be­dient. Was auf den ers­ten Blick die Schär­fe der Aus­sa­gen zu mil­dern scheint, et­wa dass man als Be­tag­ter an­statt sie­ben nur noch ein Glas Wein sich gönnt („Dau men­schd, datt wär nur for se la­che,“), ent­puppt sich bei et­was län­ge­rem Nach­den­ken als Kon­se­quenz ei­ner exis­ten­zi­el­len Ein­sicht in das, was we­der ver­han­del-, noch wan­del­bar ist: Das Al­ter for­dert früher oder später sei­nen Tri­but. Jo­han­nes Kühn gibt sich und uns einen schlicht bril­lan­ten Hin­weis dar­auf, wie man auf das Unum­gäng­li­che rea­gie­ren soll­te: Al­les Alt­wer­den – in­klu­si­ve der grau sicht­ba­ren Haa­re – la­ko­nisch hin­neh­men und sich trotz al­ler Mäkel­chen, Ir­run­gen, Wir­run­gen und Aus­fäl­le sel­ber im­mer noch ein we­nig gern ha­ben. So­viel Weis­heit hat ih­ren Preis, aw­wer dat wäß wirk­lich net je­rer, außer e großer Dich­ter met noch ner'emo 80 Joähr.

Datt wäss net je­rer

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Datt wäss net jerer, darr eisch domm senn on aach ald.
Eisch wäss ett, hann ett garnett gär.
Eisch iwwerlä mer ett, geriew onn kald,
e pä Sätzjer, gurre, scheene wie e Här
o schwätze langsam, garnett dordisch, garnett feijn
o drenke schdatt for siwwe ä Glas Weijn.
Dau menschd, datt wär nur for se lache,
datt ess nett wohr.
Eisch moss mich heijre,
eisch sen hald ääner von de Schwache.
Mä sirr'et a grohe Hor.
So kann isch misch leijre.
Eisch schwätze langsam o gedellisch,
o käm genn isch watt schellisch.

Jo­han­nes Kühn