Text des Monats

Gé­rard Ca­rau
Gé­rard Ca­rau

Monat 09/2013:
hee­ren saan ge­sinn von Gé­rard Ca­rau

Hören sagen sehen sagen

Als Mund­art­text des Mo­nats Sep­tem­ber hat das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe das Ge­dicht hee­ren saan ge­sinn des saar­län­di­schen Schrift­stel­lers Gé­rard Ca­rau aus­ge­wählt. Für die­sen Text ha­ben wir uns ent­schie­den, so Ka­rin Klee, Schrift­stel­le­rin und Spre­che­rin der Bo­se­ner Grup­pe, weil der Au­tor dar­in in drei knap­pen Se­quen­zen einen mund­art­sprach­lich über­zeu­gen­den Blick auf mensch­li­ches Ver­hal­ten wirft.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den aus­ge­wähl­ten Text schreibt Ka­rin Klee:

Schon im an­ti­ken Grie­chen­land äußer­ten die „Al­ten“ viel­fach ei­ne eher schlech­te Mei­nung über das Ver­hal­ten der ih­nen nachrü­cken­den „Jun­gen“. Und ei­gent­lich müss­ten wir uns 2000 Jah­re später dank der Kraft ei­nes im­mer schnel­ler an­wach­sen­den Wis­sens­stan­des der Un­zuläng­lich­keit ei­ner sol­chen Ver­all­ge­mei­ne­rung be­wusst sein. Aber nein, sie be­steht noch im­mer, die Kluft zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen.

Eben­so ver­hält es sich mit den An­sich­ten über Po­li­tik und Po­li­ti­ker. Und trotz Eman­zi­pa­ti­on und Gleich­stel­lung sind die Un­ter­schie­de zwi­schen den Ge­schlech­tern et­was, was Men­schen nach wie vor um­treibt und be­schäf­tigt.

Der in Creutz­wald ge­bo­re­ne und in Beckin­gen le­ben­de Au­tor Gérard Ca­rau hat in sei­nem Ge­dicht „hee­ren saan ge­sinn“ al­le die­se mensch­li­chen Un­ver­än­der­bar­kei­ten in sei­ner mo­sel­frän­ki­schen Mut­ter­spra­che fest­ge­hal­ten. Das Be­son­de­re dar­an: Er ver­packt sei­ne Beo­b­ach­tun­gen und Ein- und An­sich­ten mit Hil­fe drei­er Sin­nes­wahr­neh­mun­gen (hee­ren saan ge­sinn) so, dass sie un­miss­ver­ständ­lich deut­lich, aber er­kenn­bar er­träg­li­cher wer­den. Auf die­se Wei­se las­sen sich auch die nächs­ten 2000 Jahr gut und un­ver­än­dert über­ste­hen.

hee­ren saan ge­sinn

De Alten zou de Kénnern:
                Wenn der wái net heere wéllen,
                missen der späder loun,
                wie der gesinn!

Em Wahlkampf vorm Fernseher:
                Ich ha genau gesinn,
                wie er naischt gesaat hat!
                De kannschden némmeh zouheeren!

Ää Fraa zur anner:
                Sisch de! Mannsleit!
                De kannscht saan, wat de wéllscht!
                Se heeren ääfach nét zou!

Gé­rard Ca­rau