Text des Monats

Monat 08/2013:
Schmed­der­ling von Gi­se­la Gall

Für Momente hell in der Sonne

Als Mund­art­text des Mo­nats August hat das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe das Ge­dicht Schmed­der­ling der pfäl­zi­schen Schrift­stel­le­rin Gi­se­la Gall aus­ge­wählt. Für die­sen Text ha­ben wir uns ent­schie­den, so Ka­rin Klee, Schrift­stel­le­rin und Spre­che­rin der Bo­se­ner Grup­pe, weil er spie­le­risch leicht und mund­art­sprach­lich ge­konnt ei­ne wich­ti­ge Le­bens­weis­heit ver­mit­telt: Am bes­ten kommt man zu­recht, nimmt man sich sel­ber nicht so wich­tig!

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den aus­ge­wähl­ten Text schreibt der saar­län­di­sche Au­tor Pe­ter Eckert, Spre­cher der Bo­se­ner Grup­pe:

Am meis­ten er­staunt es Gi­se­la Gall im­mer wie­der, dass aus­ge­rech­net sie da­bei ist; dass sie über­haupt da ist und teil­neh­men darf an die­sem „lie­we, lau­ni­sche, kor­ze Läw­we“, zwie­späl­tig, vol­ler Lieb­reiz, Schre­cken, Freu­de und Not. Ob­wohl (oder ge­ra­de weil) sie die Schat­ten­sei­ten des Da­seins nicht aus­klam­mert, son­dern sehr poin­tiert dar­zu­stel­len und zu kom­men­tie­ren weiß, hat sie auch einen be­son­ders auf­merk­sa­men und lie­be­vol­len Sinn dafür, die spär­lich ver­teil­ten Glücks­mo­men­te dop­pelt zu ge­nießen.

An­mu­ti­ges Sinn­bild für die­ses Glück ist der Schmet­ter­ling. An ei­nem son­ni­gen Tag be­ein­druck­te es sie, ei­nem Zitro­nen­fal­ter bei sei­nem leich­ten, jauch­zen­den Tanz durch die Lüf­te zu­zu­schau­en, wie er ein­fach da war, leb­te, schweb­te, un­beküm­mert das Ge­schenk des Da­seins ge­noss, für ein paar Stun­den, ein paar Ta­ge, aus dem Nichts ins Licht ge­taucht, sein kur­z­es Le­ben nicht als Weg zum Tod, son­dern als das Wun­der, für kur­ze Zeit auf­zu­stei­gen aus der Ewig­keit des To­des „fer e paar Stunn hell in de Sunn“. Wir Men­schen tun uns da­mit schwe­rer als die­ser Schmet­ter­ling; trotz­dem: „Isch glaab, der macht’s rich­disch.“

Schmed­der­ling

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Fer e paar Stunn
hell in de Sunn,
aus duschtrer Nacht
korz uffgewacht,
Schmedderling,
Wunnerding,
fladdert
verdaddert,
daumelt
un baumelt,
dänzelt
un schwänzelt,
schaukelt
un gaukelt,
seelisch vor Glick,
hie un zerick,
juggelt
un suggelt,
wippt
un nippt,
nascht
un hascht,
dorkelt zu zwätt
im Liewesballett,
schwebt, fallt und steischt,
locker un leicht,
nemmt sich net wichdisch, –
sch glaab, der macht es richdisch.

Gi­se­la Gall