Text des Monats

Ur­su­la Ker­ber
Ur­su­la Ker­ber

Monat 07/2013:
Erscht Sum­mer­lieb von Ur­su­la Ker­ber

Das Schönste im und am Sommer

Als Mund­art­text des Mo­nats Juli hat das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe das Ge­dicht Erscht Sum­mer­lieb der saar­län­di­schen Schrift­stel­le­rin Ur­su­la Ker­ber aus­ge­wählt. Die­ser Text weist vie­le Be­son­der­hei­ten auf, so Ka­rin Klee, Schrift­stel­le­rin und Spre­che­rin der Bo­se­ner Grup­pe: Hier ver­ei­nen sich Ge­dan­ken an Erin­ne­run­gen und das Er­le­ben der Na­tur und wer­den da­bei un­ver­wech­sel­bar Eins mit der Jah­res­zeit und der Mut­ter­spra­che ei­ner Au­to­rin.

Die Bo­se­ner Grup­pe ist ein Zu­sam­menschluss von Sprach-Künst­lern, die es sich zum Ziel ge­setzt ha­ben, die hohe li­te­ra­ri­sche Wer­tig­keit und Aus­drucks­kraft der re­gio­na­len Dia­lekt­spra­che ins all­ge­mei­ne Be­wusst­sein zu ru­fen. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören:

Über den aus­ge­such­ten Text schreibt der saar­län­di­sche Au­tor Gérard Ca­rau:

Früher war das wohl noch mög­lich: Die Ge­schlech­ter be­geg­ne­ten sich „schaant­dé“, ver­schüch­tert, zö­ger­lich, aber doch nicht oh­ne den Wil­len, den Ab­stand all­mäh­lich zu ver­kür­zen. Be­geg­nung der al­ler­ers­ten Art an Was­ser­flächen in Fäs­sern, die mit Fan­ta­sie das Meer mar­kier­ten, die wei­te Welt be­deu­te­ten – und die ers­te große Lie­be. Das al­les an Ju­li­sonn­tagnach­mit­tagen (welch schö­nes lan­ges Wort!), wie wir sie heu­te kaum mehr ken­nen.

Der Atem, die Na­sen­spit­zen, die Au­gen: Al­le Sin­ne sind in Ur­su­la Ker­bers Ge­dicht ge­weckt. Da schim­mert et­was herü­ber aus ei­ner ver­gan­ge­nen Welt, an die, an das man sich gern er­in­nert, ob­wohl oder weil es so weit weg ist, dass es un­wirk­lich er­schei­nen muss. Man kann sich von hier aus dar­auf ein­las­sen, oh­ne dass es ver­fäng­lich wird. Es ist die Hei­ter­keit des Ab­stands, wel­che die Lie­be größer macht, schö­ner. Ganz „schaant­dé“, im Ver­bor­ge­nen.

Erscht Sum­mer­lieb

E Séjelschéffchin aus Pabeier
aam Julisónndaachnòòmétdaach
En Wasserfass aam Gaartenheischen
spillt de grooßen Ozean

Un user Oòtem vaan zwai Seiten geejeniwwer
hauchdem leichden Wénd

Béss schaantdé séch
de Nasenschbétzen treffen

Un’t Meer ónendléch déif verlockend
aus hellen Auen schémmert

Ur­su­la Ker­ber
(Das Gedicht ist zum ersten Mal im Paraple 7, 2004, erschienen.)

Schanntdé: verschämt, schamhaft, schüchtern