Text des Monats

Erich Tho­mas
Erich Tho­mas

Monat 05/2013:
Halvschischd von Erich Tho­mas

„Halvschischd“ ist Mundarttext des Mo­nats Mai

Als Mund­art­text des Mo­nats Mai wur­de das Ge­dicht Halvschischd des saar­län­di­schen Mund­art­au­tors Erich Tho­mas ausgewählt. Da­rauf hat sich auf ih­rer Früh­jahrs­ta­gung das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Grup­pe ver­stän­digt. Wie die Spre­che­rin der Grup­pe, die saar­län­di­sche Schrift­stel­le­rin Ka­rin Klee, mit­teil­te, habe man die­sen Text von Tho­mas aus­ge­wählt, um die Aus­drucksstär­ke der Mund­art­spra­che in ei­nem Text aus dem Berg­manns­le­ben zu ver­deut­li­chen.

In ih­rem Bo­se­ner Ma­ni­fest hat sich die Ar­beits­ge­mein­schaft für rhein- und mo­sel­frän­ki­sche Mund­art zum Ziel ge­setzt, die Mund­ar­ten der Re­gi­on in ih­rer her­aus­ra­gen­den Wer­tig­keit und Schön­heit dar­zu­stel­len. Als eine der selbst­ver­ständ­li­chen Kon­se­quen­zen hieraus soll die Re­gi­o­nal­spra­che als Mög­lich­keit ei­ner an­spruchs­vol­len li­te­ra­ri­schen Ge­stal­tungs­form prä­sen­tiert wer­den. Preis­wür­di­ge Tex­te wer­den auf Vor­schlag der Mit­glie­der der Bo­se­ner Grup­pe aus­ge­wählt und ju­riert. Ein­zi­ges Ent­schei­dungs­merk­mal ist die li­te­ra­ri­sche Qua­lität ei­nes Tex­tes. Zur Bo­se­ner Grup­pe gehören u.a. die Mund­art­au­to­ren Jo­han­nes Kühn, Hein­rich Kraus, Pe­ter Eckert, Ge­org Fox, Re­lin­de Nie­der­län­der, Ka­rin Klee, Gé­rard Ca­rau, Ute Zim­mer­mann, Gi­se­la Bell, Man­fred Pohl­mann und Jean-Louis Kief­fer.

Ge­org Fox, Mit­glied der Bo­se­ner Grup­pe, schreibt zu dem aus­ge­such­ten Text:

Die­ser Mund­art­text gibt einen Ein­blick in die Berg­bau­ver­hält­nis­se des Jah­res 1889. Es war das Jahr des ers­ten Streiks im Saar­berg­bau. Un­ter­drü­ckung und Ver­let­zun­gen der Men­schen­rech­te wur­den von obers­ter Stel­le be­güns­tigt. Die Berg­leu­te hat­ten be­son­ders dar­un­ter zu lei­den. Sie muss­ten un­ter un­mensch­li­chen Be­din­gun­gen zwölf Stun­den am Tag ar­bei­ten und wa­ren der Will­kür der preußi­schen Berg­bau­be­am­ten aus­ge­setzt. Selbst Miss­hand­lun­gen wa­ren nicht sel­ten. Noch heu­te kennt man die Re­dens­art: „vom Hibb­schi säi­ne“ oder „säng die Schnab­bach“. Die kar­gen Löh­ne san­ken, die Steu­ern stie­gen.

Der Au­tor Erich Tho­mas (Jahr­gang 1932) stammt aus ei­ner Has­bor­ner Berg­ar­bei­ter­fa­mi­lie. 1955 wur­de er als Leh­rer in den saarl. Schul­dienst über­nom­men und 1993 in den Ru­he­stand ver­setzt. Seit dem En­de der 80er Jah­re be­schäf­tigt er sich mit der Mund­art.

Die An­fän­ge dazu dreh­ten sich aus­sch­ließ­lich um For­schung und Samm­lung mund­art­li­cher Aus­drü­cke, Re­dens­ar­ten und Lie­dern. (Buch „Emm de Kouh­waan eremm“). Im Jah­re 2003 er­schi­en das Buch „Gèw Ahd off däi Sch­bròòch“ (ne­ben Tex­ten ein Glossar mit mehr als 3000 mund­art­li­chen Be­grif­fen aus Has­born-Dautweiler). Vor ei­ni­gen Jah­ren hat er auch eine CD mit Mär­chen in Has­born-Dautweiler Mund­art auf­ge­nom­men. Die Vor­be­rei­tun­gen zu ei­nem wei­te­ren Buch mit „Mär­chen und Sa­gen aus Has­born und Daut­wei­ler“ sind ab­ge­schlos­sen.

Erich Tho­mas be­zieht sich in sei­nem Text vor­nehm­lich auf Schil­de­run­gen sei­nes Großva­ters, der zu die­ser Zeit als 19jäh­ri­ger Berg­mann auf der Gru­be Bild­stock ge­ar­bei­tet hat, wo auch Ni­ko­laus War­ken da­mals sein Brot ver­dien­te. Zu­dem schöpft Tho­mas aus Er­zäh­lun­gen sei­nes Va­ters, der 1896 als 14jäh­ri­ger Knap­pe auf Gru­be Mel­lin (Sulz­bach) an­fuhr.

Halvschischd

Gefang em Verlies
schon iwwer sèggs Schdonn!
Zäh zejhd sisch die Zäid.

Off Hänn on off Fejße
on schwarz wie die Kòlle,
wie Radde òus Läscher
kemmd ääner nòhm ann're
eròus òus der Häll.

Se huggen em Graaes, 
die Lamb en der Medd,
e erbaermelisch Lischdschi!
Aachd Männer wie Schadde –
der jingschd òus der School graad –
’d saaed kääner e Wòrd.

Se èsse ihr Brood,
kää Bodder, kää Wòrschd
on lesche med schwarzem Kaffi de Dòrschd.
Ed Blèsch es ball lèèr,
on 'd senn nòch sèggs Schdonn. –

E Paaed glaad säi Laaed 
en der Nood dorsch die Nahd,
’d sidd nie mi de Daach. 

Ed gnaggd em Baersch,
ed gergsd em Holz, 
der Baersch, dèèr schaffd wäirer.

On emm se eremm
e Hèèrd Kòschdgänger gòud –
meh Radde wie Männer.

Se wäische kää Zoll braaed,
senn emmer om Schbrong.
Kää Grimmeli Brood bläivd häi läje.

E Lischd flaggerd –
Schridde!
„Der Schdäjer, oh weh!“
Von wäirem schon bäärd er on baaeld er.
„Äisch heere kää Mussigg!
Woo bläivd die digg Drommel.
Ball danze die Wanze em Taggd!"

Ed husche die Radde
on anner Geschmaaeß!
Die iiwe de Offschdand em <Alde>.
On ääner nòhm ann’re,
gedòuchd on gebròch,
grawweld 
schdomm
on voll Schaamd
zeregg en säi Lòch.

’d hievd kääner die Hand, 
die Angschd huggd em Gnegg,
’d bròuch jeerer die Marg fòòr die Kenner.

Ed drehnd hard on hòhl droff der Hammerschlaach 
wäidhin birr end Schachd. 
Ed zirrerd der Baersch.

Sèggs Schdonne nòch schaffe,
sèggs Schdonne sisch schonne,
sisch blòòe on gwääle. –

Es dadd nòch e Lèèwe!?

Erich Tho­mas

(entnommen dem Buch „So schwäddse mir im Landkreis St. Wendel“, Geschichten und Gedichte in Mundart, mit freundlicher Genehmigung des Kelkel-Verlags Dillingen, ISBN 978-3-942767-07-1 und kann mit diesem Hinweis kostenlos veröffentlicht werden).