Text des Monats

Monat 08/2012:
Ge­brood­ne Dau­we von Re­lin­de Nie­der­län­der

Über „Gebroodne Dauwe“

Gedicht der saarländischen Autorin Re­lin­de Nie­der­län­der ist Mund­art­text des Monats August

Als „Mundarttext des Monats“ im August 2012 wur­de das Gedicht Ge­brood­ne Dau­we der aus Homburg-Limbach stammenden Autorin Re­lin­de Nie­der­län­der ausgewählt. Da­rauf hat sich das Kol­lo­qui­um der Bo­se­ner Gruppe ver­stän­digt.

Die Bosener Gruppe ist ein Zusammenschluss von Sprach-Künst­lern/in­nen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die hohe literarische Wertigkeit und Ausdruckskraft der regionalen Dialektsprache ins allgemeine Be­wusst­sein zu rufen. Zur Bosener Gruppe gehören:

Über den ausgesuchten Text schreibt der Sprecher der Bosener Grup­pe, der in Wadgassen-Differten lebende Autor Peter Eckert:

Es gibt Märchen, die beginnen mit den Worten „In der guten alten Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat …“ Als einfache Vorstellung ohne Aus­sicht auf Verwirklichung mag das in der Tat als sehr er­stre­bens­wert gelten. Erstaunlich, dass ausgerechnet Wilhelm Busch, den viele ein­fach nur für einen Spaßmacher halten, ernsthafte Bedenken an­mel­det: „Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt, kriegt augenblicklich Junge.“

In der Tat: Ein Mensch, dessen höchste Anstrengung darin besteht, „Ich will!“ zu sagen, gelangt schwerlich dahin, den Wert der Dinge realistisch einzuschätzen. Ebenso wenig wird er ein Gespür dafür ent­wi­ckeln, welche Anstrengungen andere dafür unternehmen müssen. Und noch weniger wird er einsehen, dass auch andere mit gleichem Recht „wollen“. Das Werk von Relinde Niederländer zeichnet sich durch­gän­gig aus durch einen klaren und nicht selten kritischen Blick auf das menschliche Zusammenleben, auf Fehlverhalten in der Familie und ihrem Umfeld, seine Ursachen und Folgen. So auch die eigentlich tragische Geschichte des Sohnes, dem zeitlebens wie im Schla­raf­fen­land sozusagen die gebratenen Tauben in den Mund geflogen sind.

Schwer zu sagen, wann die liebevolle Zuwendung der Eltern zur Af­fen­lie­be wurde, wann aus kindlichem Bitten unverschämtes Fordern wur­de. Wer wollte noch sagen, wann wirkliche Elternliebe darin bestanden hät­te, zu verweigern, statt um des lieben Friedens willen nachzugeben, und anzuspornen, statt durch käufliches Glück zu beschwichtigen und als Lebenshaltung zu zementieren.

Und selbst wenn es noch festzustellen wäre, es ist wohl zu spät. Der Ich-will-Nesthocker hat sich in seinem Versagerleben eingerichtet. Aber das Ende der Zeit, in der „Ich will!“ geholfen hat, wird absehbar. Kein Wunder, dass die Eltern, die ihre Verantwortung eher ahnen als er­ken­nen und anerkennen, unter der drückenden Sorge leiden: Wer sorgt nach uns für den Jungen?

Ge­brood­ne Dau­we

Ich will awwer, hat’er gemennt, 
er war zwee unn sie sinn gerennt. 
Das was ’er gewollt hat, war kleen 
sellemools, und goldich unn scheen.

Ich will awwer, hat’er gemennt,
dezu noch geschdambt und geflennt.
Er war acht und hat’s kriet, dann war’s guud
sellemools, unn Ruh in de Buud.

Er war zwanzisch unn flott unn mobill, 
unn sie hann gemacht, was er will, 
aus Angschd vor Balaawa unn Schdreid 
middlerweil, unn aach wää de Leid.

Ihm selwer iss kaum was gelung, 
er iss in kenn Aawed geschbrung. 
Erscht gäschder war widder Dischbudd 
schdunnelang, weil’s Audo kabudd.

Ehr Rigge iss alt jetzt unn krumm, 
sie schbeere, es iss ball erumm. 
Doch eens gebbts, das raubt ne die Ruh: 
„Wer sorcht dann noo uns fa de Buu?"

Re­lin­de Nie­der­län­der