Text des Monats

Ronald Euler
Ronald Euler

Monat 12/2010:
brün von Ronald Euler

Gedicht in Farbe: „brün“

Mundarttext des Monats vom Elsässer Autor Ronald Euler

Ein für die Jahreszeit untypisches Gedicht er­hält im Dezember 2010 die Auszeichnung „Mundarttext des Monats“, der Text brün des elsässischen Autors Ronald Euler. Darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Das Gedicht wurde aus­ge­wählt, weil es kurz vor den letzten großen Feiertage des Jahres und im glitzernden Trubel vorweihnachtlichen Treibens einen nach­denk­li­chen, aber keinesfalls farblosen Kontrapunkt zu setzt.

Zur Bosener Gruppe gehören Marcel Adam, Gisela Bell, Gérard Carau, Hildegard Driesch, Peter Eckert, René Egles, Georg Fox, Bruno Hain, Günther Hussong, Ursula Kerber, Jean-Louis Kieffer, Karin Klee, Heinrich Kraus, Johannes Kühn, Harald Ley, Thomas Liebscher, Liederschmitt, Hans Walter Lorang, Manfred Moßmann, Relinde Niederländer, Jo Nousse, Wolfgang Ohler, Manfred Pohlmann, Lucien Schmitthäusler, Helga Schneider, Norbert Schnei­der, Robert Schultz (am 27.11.2006 verstorben), Günter Speyer und Ute Zim­mer­mann.

Zu dem ausgezeichneten Text schreibt Karin Klee:

Eine Farbe für sich genommen ist neutrales Attribut einer Sache oder eines Lebewesens. Wir Menschen aber sind in der Lage, jeder Farbe auch eine positive oder negative Assoziation, eine Art Gefühlsstempel zu verpassen. So habe ich beim ersten Lesen des Gedichtes „brün“ von Ronald Euler zunächst ein wertfreies Braun vor Augen und bin ge­spannt, wie es sich entwickeln wird. In der ersten Strophe erscheinen drei Verwandte mit braunem Fell, die sich Augen, Ohren und Mund zuhalten. Ja, ein bekanntes Bild, aber so will doch kein Mensch ein­ge­schätzt werden. In der zweiten Strophe wird Ronald Euler ein­dring­li­cher: Hier ist kein Primat, da sitzt, steht, liegt ein Mensch, ein an­gepass­ter Duckmäuser, der sich selbst jede Kritik untersagt. Die letzte Strophe bringt es auf den Punkt und wieder jene Farbe ins Spiel, die dem Titel ihren Namen gab, und es wird klar: Es ist weder Wort noch Farbe, was hier stinkt!

brün

nix gesinn
nix heere
nix sawe

nitt meckere
nitt ufffàlle
nitt mückse

un dànn
sich wunnere
dàss àlles so verschiss isch

braun

nichts sehen / nichts hören / nichts sagen // nicht meckern / nicht auffallen / nicht mucksen // und dann / sich wundern / dass alles so beschissen ist

Ronald Euler