Text des Monats

Marlies Böhm
Marlies Böhm

Monat 09/2010:
fridden von Marlies Böhm

Frieden ist ein Ernstfall

Auszeichnung für die Dillinger Poetin Mar­lies Böhm durch die Bosener Gruppe

Nohfelden-Bosen – Als Mundarttext des Mo­nats September 2010 wird das Gedicht fridden der saarländischen Mundartautorin Marlies Böhm prämiert. Darauf hat sich auf ihrer Tagung das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Wie die Sprecherin der Gruppe, die saar­ländische Schriftstellerin Karin Klee, mitteilte, habe man diesen Text ausgewählt, um den besonderen Wert der Mund­art­sprache in einem knappen, pointierten Gedicht zu verdeutlichen.

In ihrem Bosener Manifest hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit dar­zu­stel­len. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dia­lekt­sprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestal­tungs­form präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden auf Vor­schlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Ein­ziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Tex­tes. Zur Bosener Gruppe gehören u.a. die Mundartautoren Johannes Kühn, Georg Fox, Relinde Niederländer, Karin Klee, Gérard Carau, Gisela Bell, Manfred Pohlmann und Jean-Louis Kieffer.

Die saarländische Autorin Ursula Kerber schreibt zu dem aus­ge­zeich­neten Text:

Marlies Böhm wohnt in Dillingen/Saar und ist Lehrerin an einer Grundschule im Ortsteil Pachten. Neben zahlreichen Ver­öffent­lich­ungen in Hochdeutsch (u.a. langjährige Zusammenarbeit mit dem Komponisten und Kirchenmusiker Josef Monter) schreibt Marlies Böhm schon seit ca. 35 Jahren ebenso erfolgreich Lyrik und Prosa in der Mundart ihres Heimatortes: moselfränkisch – Dillinger Platt. Sie verfasst außerdem Spielszenen, Sketche und Liedtexte in ihrer aktiven Theaterarbeit und ist mehrfache Preisträgerin (z.B. Goldener Schnawwel). Die Mundart der Marlies Böhm ist tagesaktuell und kommt ohne nostalgische Schönfärberei aus. Ihre Texte, die sehr oft kritische Komponenten enthalten, regen zum Nachdenken und Diskutieren an.

Der Monatstext September 2010 „fridden“ ist dafür ein ein­drucks­vol­ler Beweis. In kurzen Zeilen – oft nur mit einem Wort – thematisiert die Autorin den weltweit allgemeinen Wunsch nach Frieden und das Scheitern daran. Nur vier Worte „nur – wenn – awwer – nett“ genügen, um daraus aus einem ersten zögerlichen Einwand ganz schnell stakkatoartig alle unüberwindbaren Widersprüche zu formu­lieren. Dieser Gedichtteil ist wie ein Strudel, ein Sog, aus dem man nur mühsam entkommen kann. Erst nach der Konfrontation versichert man sich gegenseitig den Willen zum Frieden, doch: „so – ganz – ohne – wenn – òn – awwer – geht – et – ääfach – nett!“ „Der Friede ist der Ernstfall“, wie der früherer Bundespräsident Gustav Heinemann formulierte

fridden

nadirlich
sénn se
allegaaren
dòò dafòr,
nur…
wenn…
awwer…
nur, wenn…
wenn awwer…
awwer nur…
awwer wenn…
awwer nur, wenn…
nur, wenn awwer…
awwer nur, wenn nett…
nett, wenn awwer nur…
jedenfalls
hat
kääner
äppes dagejen!
nur,
so ganz
ohne
wenn
ón
awwer
geht
et
ääfach
nett!

Marlies Böhm