Text des Monats

Gérard Carau
Gérard Carau

Monat 06/2010:
Heimat, fraglich von Gérard Carau

Fragen nach der Heimat im Mundarttext des Monats Juni

Auszeichnung für Gérard Carau aus Beckingen durch die Bosener Gruppe

Nohfelden-Bosen – Als Mundarttext des Monats wird das Gedicht Heimat, fraglich des aus saarländischen Mundartautors Gérard Carau prämiert. Darauf hat sich bei ihrer letzten Tagung das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Wie eine Sprecherin der Gruppe, die saarländische Schriftstellerin Karin Klee, mitteilte, habe man diesen Text von Carau ausgewählt, um den besonderen Wert der Mund­art­sprache in der knapp pointierten Aussage eines literarischen Textes zu verdeutlichen. Gérard Carau ist ein Mundartautor, der die moderne Variante der Mundartdichtung vertritt. Er war in diesem Jahr Mitglied beim Symposium des Saarländischen Rundfunks. Seine Texte wurden zuletzt in der Lothringer Zeitschrift „Paraple“ veröffentlicht.

In ihrem Bosener Manifest hat sich die Arbeits­gemein­schaft für rhein- und mosel­fränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer heraus­ragenden Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbst­verständ­lichen Konse­quenzen hieraus soll die Regio­nal­sprache als Möglichkeit einer anspruchs­vollen litera­rischen Gestal­tungs­form präsentiert werden. Zur Bosener Gruppe gehören u.a. die Mundartautoren Johannes Kühn, Heinrich Kraus, Georg Fox, Gisela Bell, Manfred Pohlmann, Jean-Louis Kieffer, Karin Klee und Marcel Adam.

Georg Fox, Mitglied der Bosener Gruppe, zu dem Text von Gérard Carau:

Der Text „Heimat, fraglich“ ist zweifelsfrei ein politischer Text. Er ist seinem Stil nach in der Art eines sog. „Treppentextes“ gestaltet. Durch die Wiederholung und die Erweiterung eines Satzes werden die LeserInnen eindringlich auf die Problematik von Naturveränderung, Landverbrauch und Umweltzerstörung hingewiesen. Carau tut dies einerseits in der rhetorischen Frageform, die er aber noch zusätzlich ironisierend als mögliche politische Übereinstimmung mit dem Befragten erscheinen lässt. Die sprachliche Raffinesse des Textes liegt in seiner Eindringlichkeit und in seiner appellativen Gestaltung. Der Autor erwartet natürlich, dass die Leser klar in einen provozierten Protest einstimmen. So darf es nicht weitergehen! Zugleich trägt der Text die Angst der Verzweiflung in sich. „Wer reecht sich dann dò driwwer óff?“ Ist nicht nur eine einfache Frage, es ist auch die Angst vor einer Antwort „Niemand regt sich auf, niemand tut etwas dagegen!“ Die Mundartsprache benutzt das „sich regen“ im doppelten Sinne (aufregen, agieren). Die zweite Ebene der Beschäftigung mit dem Text leitet sich aus der Überschrift ab. Heimat ist zweifellos auch ein großes Thema, das die Mundart beschäftigen muss, zumal gerade die Regionalsprachen als ein Teil des Heimatgefühls betrachtet werden. Ebenso wie Mundarten vom Aussterben bedroht sind, erfährt diese Bedrohung auch die Heimat, nach der Carau fragt. Die Botschaft dahinter lautet: Auch die Umweltbedrohung ist ein Stück an Bedrohung unserer Heimat. Angesichts vielfältiger aktueller Gefahren ist dies ein hochaktuelles Thema. Damit wird der Text von Carau zu einem guten Beispiel für die Verbindung von Mundart­sprache und literarischer Gestaltung. Mundart in ihrer literarisch-künstlerischen Gestaltungskraft kann sehr aktuell und problem­orientiert sein, womit der Schriftsteller Gérard Carau zu einem exzellenten Botschafter für die hohe Wertigkeit einer saarländischen Regionalsprache wird.

Heimat, fraglich

Wat? Wat sénn? Wat sénn dann? Wat sénn dann e paa? Wat sénn dann e paa Moijen Land? Wat sénn dann e paa Moijen Land ónn e paa Hektar Wald? Wat sénn dann e paa Moijen Land ónn e paa Hektar Wald wenijer? Wer reecht sich dann dò driwwer óff? Wer reecht sich dann? Wer?

Gérard Carau