Text des Monats

Harald Ley
Harald Ley

Monat 04/2010:
Erschter Aprell Anno Tuwack von Harald Ley

Harald Ley macht es wie der April

Nohfelden-Bosen – Als Mundarttext des Mo­nats März 2010 wird das Gedicht Erschter Aprell Anno Tuwack des saarländischen Mund­art­au­tors Harald Ley prämiert. Darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe auf seiner Frühjahrstagung 2010 verständigt. Wie die saarländische Schriftstellerin Karin Klee mitteilte, habe man dieses Gedicht ausgewählt, weil darin ein im heutigen Schnellleben unter­gehender Brauch vordergründig humorig übertreibend der Gesell­schaft ihr unschönes Spiegelbild zeigt.

In ihrem Bosener Manifest hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden jeweils auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Zur Bosener Gruppe gehören u.a. die Mundartautoren Johannes Kühn, Heinrich Kraus, Georg Fox, Relinde Niederländer, Peter Eckert, Wolfgang Ohler, Helga Schneider, Günther Hussong, Ute Zimmermann, Gérard Carau, René Egles, Marcel Adam, Gisela Bell, Manfred Pohlman, Jo Nousse, Hildegard Driesch und Jean-Louis Kieffer.

Zu dem ausgewählten Text schreibt der moselfränkische Schriftsteller Gérard Carau:

Der Monat April, dessen Name wahrscheinlich vom lateinischen Verb "aperire" (öffnen) abgeleitet ist, der demnach auf das Sich-Öffnen der Knospen, den Beginn des Frühjahrs hinweist, tritt auch als "launischer" Monat auf, in dem das Wetter "verrückt" spielt ("er macht, wat er wéll"). Möglicherweise hat diese Launenhaftigkeit mit der seit sechzehnhunderttuwak in Deutschland belegten Tradition des Aprilscherzes zu tun. Wie dem auch sei: Wir erinnern uns alle gerne an diesen lustigen Brauch oder haben sogar vor, ihn auch dieses Jahr wieder zu praktizieren, jemanden mit einer mehr oder weniger geschickt gefälschten Meldung "in den April zu schicken" und dabei zum gegebenen Zeitpunkt ein warnendes bzw. schadenfrohes "April, April!" hinterher zu schicken.
Harald Ley hat in seinem Gedicht "Erschter Aprell Anno Tuwack" eine schöne Liste solcher Falschmeldungen zusammengestellt. Es sind ausschließlich Glücksbotschaften: Es gibt keine Kriege mehr, niemand verhungert mehr, die Politiker sagen alle nur noch die Wahrheit, jeder findet Arbeit, die Umwelt ist wieder kerngesund, Nachbarn streiten nur noch zum Spaß miteinander und wer weint, tut es eben vor Glück. April, April! Ein Narr, der's glaubt!
Und doch: Wie gern würden wir solchen Zeitungs-Meldungen über das große und kleine Wohlgefallen und über die allumfassende Harmonie Glauben schenken. Schade, dass die indikativischen Aussagesätze sich bei genauem Hinschauen ins "konjunktivisch Fragwürdige" auflösen (müssen)... Aber vielleicht erleben wir es ja doch irgendwann einmal, das Tuwacks-Jahr!

Erschter Aprell Anno Tuwack

Et géfft kään Kréich meh off der Welt,
kään Minsch sterft meh fò Honger.
Et Wasser aus der Saar kamma wei trénken.
Die énn Berlin onn annerschtwo,
die saan nur noch de Wòòrhäät.
All Leit hann Ärwed wenn se wéllen.
De Bääm émm Wald sénn all gesond,
de Louft éss sauwer wie noch nie,
kään Kouh spillt meh verréckt.
De Nòòpern doun nur noch aus Spass
iwwer ihr Grenzen streiden.
Ma heilt nur noch fò Gléck.
Aprell, Aprell
schéckt de Narren wohénn er wéll.

Harald Ley