Text des Monats

Gisela Bell
Gisela Bell

Monat 03/2010:
Daachesablaaf von Gisela Bell

Mehr als Gedanken an besseres Wetter

Nohfelden-Bosen – Als Mundarttext des Mo­nats März 2010 wird das Gedicht Daachesablaaf der saarländischen Mund­art­au­to­rin Gisela Bell prämiert. Darauf hat sich auf ihrer Tagung das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Wie die saarländische Schriftstellerin Karin Klee mitteilte, habe man sich für dieses Gedicht entschieden, weil es in poetisch-persönlicher Art mit dem natürlichen Umstand des Alterns auseinandersetzt.

In ihrem Bosener Manifest hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer ursprünglichen Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden jeweils auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Zur Bosener Gruppe gehören u.a. Johannes Kühn, Heinrich Kraus, Georg Fox, Relinde Niederländer, Peter Eckert, Helga Schneider, Bruno Hain, Günther Hussong, Hildegard Driesch, Thomas Liebscher, Ursula Kerber, Ute Zimmermann, Gérard Carau, René Egles, Wolfgang Ohler, Norbert Schneider, Manfrd Moßmann, Harald Ley, Günter Speyer, Marcel Adam, Hans-Walter Lornag, Gisela Bell, Manfred Pohlmann, Jo Nousse, Walter Liederschmitt und Jean-Louis Kieffer.

Zum dem ausgezeichnten Text schreibt Karin Klee:

Wir alle sind Wesen, die an bestimmte Bedingungen, an biologische Gesetzmäßigkeiten gebunden sind: Ein Jedes/r hat seine Zeit. Diese Erkenntnis kann zu gleichermaßen guten wie trüben Gedanken führen. In Gisela Bells Gedicht "Daachesablaaf" erfahre ich, wieviel Positives ein einfacher Tagesablauf zu bieten hat, wenn ich bereit bin, mich mit allen Sinnen auf das einzulassen, was allein die Natur zu schenken in der Lage ist. So versöhnt mich Gisela Bells Text am Ende sogar mit dem Umstand, dass auch meiner Zeit Grenzen gesetzt sind.

Daachesablaaf

Morjens
vun de Veeschel
geruf wòrr.
Dangbar 
wach genn.

Daachsiwwa
die Seel
in die Sunn gehängd.
Im Friehlingswind
baumle gelòss.

Streifziesch
durch Felda, Wälda, Wiese,
iwwa sanfde Hieschel gemach.
Die Aue, die Ohre
vawehnt.

Abseids
vum enge Heisameer
laudlos freigeschwumm.
Wachgeriddeld
Läwe gespierd.

Owends
vum Daach gehämeld
dangbar
ingeschlòòf.
So kinnd isch ald genn.

Gisela Bell