Text des Monats

Monat 04/2009:
Et Fréihjòhr fréihjer von Harald Ley

Es war einmal das Frühjahr

Harald Ley schreibt Mundarttext des Monats

Mit der Auszeichnung "Mundarttext des Monats" ehrt die Bosener Gruppe im April den Text "Et Fréihjòhr fréihjer" des Saarlouiser Autors Harald Ley. Die Gruppe, deren Mitglieder in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Lothringen, Elsass und dem Saarland beheimatet sind, will auf diese Weise die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit auf die Ausdrucks- und Aussagekraft der jeweiligen Regional-Sprache lenken. Mehr über die Gruppe im Internet unter "bosenergruppe.saar.de". Zum April-Text schreibt die in Wadern lebende Schriftstellerin Karin Klee:

Harald Ley ist gar nicht so alt, wie er in der Überschrift zu seinem Gedicht "Et Fréihjòhr fréihjer" dem Leser Glauben machen möchte. Er ist Jahrgang 1949, zählt heute also kaum 60 Lenze. 'Fréihjer' bedeutet daher in Leys Text nicht etwa vor langer langer Zeit, sondern damals, als Kinder draußen und auf der Straße spielten, als das Muhen der Kühe, das Gackern der Hühner, das Quieken der Schweine, das Meckern der Ziegen und Hundegebell ein selbstverständlicher Teil der dörflichen Geräuschkulisse gewesen sind. Da hing die Nachbarin laut und falsch pfeifend die Wäsche zum trocknen auf, um anschließend bei offenem Fenster mit dem Essgeschirr zu klappern. Das ist in einigen Gegenden des Saarlands noch bis in die 1980er Jahre so gewesen. Harald Ley ruft diese vergangenen Szenerien in Erinnerung und zieht dabei unmerklich Bilanz, ohne selber den Hauch einer Wertung abzugeben. Nur ganz zum Schluss seiner Bilderreise durch Tage, die so nicht mehr erlebt werden können, rückt er mit der Sprache heraus und gibt dem Leser einen kleinen Hinweis darauf, wieso er sich, gerade wenn es Frühling wird, an das Frühjahr früher erinnert.

Et Fréihjòhr fréihjer

Enn Kénd gääkst vòr Frääd 
onn dreift off der Schossee 
mét seiner Gääschel 
enn Dilldopp vòr séch her. 

Kléckern kullern vomm 
Trottoar énn de Kullang, 
enn Rääfen rompelt 
iwwer de Powai. 

Émm Stall bréllert enn Kouh 
fò nòh draussen. 
Lòò hénnen émm Hoff 
dengelt der Opa sein Sens. 

Véir Héihner verzänken séch 
omm enn dooden Maaikipps, 
onn der alt Hahn kräht 
sein roschdisch Lieder. 

De Geissen verlachen 
laut meckernd de Sonn, 
de Nòhpersch hänkt Wäsch off 
onn peift grailéch schròò. 

Et Schwein quiekst vòr Gléck 
noch enn Sommer se hann, 
owem Baam huckt de Katz 
vomm Waldi verbellt. 

Durch et offen Kichenfenschder 
kleppern de Tellern 
onn roufen mém Méttachslauden: 
Et Essen steht omm Désch. 

De Louft ziddert ganz laut 
onn mein Herz vòr Frääd 

Ma konndet nét iwwerhäären 
Et Fréihjòhr 
fréihjer 

Harald Ley