Text des Monats

Monat 04/2008:
Det Fréijòhr von Anna Peetz

"Det Fréijòhr" ist da

Nohfelden-Bosen - Als Mundarttext des Monats April 2008 wird das Gedicht Det Fréijòhr der Mundartautorin Anna Peetz prämiert. Darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Wie die Sprecherin der Gruppe, die saarländische Schriftstellerin Karin Klee, mitteilte, habe man dieses Gedicht ausgewählt, um damit die Zeiten überdauernde Empfindungs- und Ausdruckskraft der Mundartsprache zu verdeutlichen.

In ihrem Bosener Manifest hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit zu würdigen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden jeweils auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Einziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Textes. Zur Bosener Gruppe gehören u.a. die Mundartautoren Johannes Kühn, Wolfgang Ohler, Heinrich Kraus, Georg Fox, Relinde Niederländer, Ute Zimmermann, René Egles, Marcel Adam, Gisela Bell, Jo Nousse, Manfred Pohlmann und Jean-Louis Kieffer.

Gérard Carau schreibt zu dem aus dem Buch von Dittmar Lauer/Manfred Moßmann (Hg.): Hohwäller. Ein Sammelband Hochwälder Mundart, Kell am See (2006) stammenden Text:

Fünf Bilder über fünf Zweizeiler verteilt, fünf Frühlingsboten: Ein Vogel pfeift im Baum, die Wiese beginnt langsam zu grünen, ein paar Veilchen blühen schon bei einer Hecke am Gottenhang, eine Kaulquappe befreit sich aus dem Laich in einem Pfuhl, Kinder suchen ihre Klicker (Murmeln) hervor.
Es sind die "klanglichen Pastellfarben", die Behutsamkeit und Zartheit, die Beschränkung auf das Wesentliche, die den Wert dieses Frühlingsgedichtes von Anna Peetz ausmachen: das zarte Grün ("e Schimmer"); das vereinzelte anonyme Vögelchen im Baum, das zur Freude des Menschen vor dessen Fenster pfeift; die wenigen, aber "schöö" (schon) blühenden Veilchen (an sich schon ein zerbrechlicher Diminutiv); ein einzelner "Kauzenkopp", der sich aus dem Laich davonmacht in die weite Welt hinaus. Und nicht zuletzt die Kinder. Wohl gemerkt: die Kinder, also alle, ohne Ausnahme, die ihre Klicker aus den Tiefen der Schränke hervorkramen. Erst wenn die Klicker "titschen", ist der Frühling endgültig da.
Das Gedicht drückt freudige Zuversicht in den gewohnten wiederbeginnenden Jahreszyklus aus. Man braucht nur hinzuschauen, nur hinzuhören, und alles wird klar und hell (s. die vielen hellen Vokale). Der Leser wird von der ersten Zeile an in die Vertrautheit und Vertraulichkeit einbezogen ("Heerst de" / hörst du?), und dieser ansteckenden "gepischperten" Intimität kann er sich nicht mehr entziehen. Warum sollte er auch?
Gewiss haben wir auch heute noch "Frühlingsankündiger". Aber leider keine Klicker spielenden Kinder mehr. Schön, dass Anna Peetz (1929 in Beuren im Hochwald geboren und heute in Karlsruhe lebend) sie für uns in Erinnerung behalten hat.

Det Fréijòhr

Héérs de wéi t Viijelsche päift
viir der Fééster äam Bòmm?

Et läit näss e Schimmer
v½ Kréin óff der Wies.

Pòòr Veilscher pléihe schöö
bäi er Hæck äan der Gótt.

E Kaulquæppschen huscht
½us dem Kriips äan em Pöul.

Ón de Käanner, déi sischen
hihr Kléckkern äam Schaaf.

Anna Peetz