Text des Monats

Monat 10/2006:
Die Zejte ännere sich von Heinrich Kraus

Geänderte Zeiten im Mundarttext des Monats

Auszeichnung für den saarländischen Poeten Heinrich Kraus durch die Bosener Gruppe!

Nohfelden-Bosen - Als Mundarttext des Monats Oktober wird das Gedicht Die Zejte ännere sich des saarländischen Mundartautors Heinrich Kraus prämiert. Darauf hat sich auf ihrer letzten Tagung das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Wie die Sprecherin der Gruppe, die saarländische Schriftstellerin Karin Klee, mitteilte, hat die Gruppe diesen Text ausgewählt, um den besonderen Wert der Mundartsprache in einem knappen, pointierten Gedicht zum Herbst zu verdeutlichen.

In ihrem Bosener Manifest hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit darzustellen. Als eine der selbstverständlichen Konsequenzen hieraus soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Einziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Textes. Zur Bosener Gruppe gehören u.a. die Mundartautoren Johannes Kühn, Wolfgang Ohler, Günther Hussong, Relinde Niederländer, Karin Klee, Ute Zimmermann, Bruno Hain, Gisela Bell, Manfred Pohlmann und Jean-Louis Kieffer.

Georg Fox, Mitglied der Bosener Gruppe, zu dem prämierten Text:

Es ist sicherlich ein ungewöhnliches Gedicht, mit dem Heinrich Kraus den Lebenslauf eines Menschen beschreibt. Das Ungestüme der Jugendzeit wird holzschnittartig skizziert, wo Gedanken an den Tod noch weit weg sind. Auch allmähliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit werden leicht verdrängt. Und trotzdem ist das "Memento mori" gegenwärtig, auch wenn man dem nahenden Tod den Buckel hindreht. Kraus zeigt in einer sehr offenen Sprache, dass man sein Lebensende vom Anfang her denken muss. Die Überschrift ist dabei doppeldeutig: Die Zeiten ändern sich für den Menschen, es ändern sich auch die Sichtweisen auf den Tod. Der Monat Oktober steht zu Anfang noch als Monat der Ernte, des Überflusses, der Lebensfreude. Dies ändert sich gegen Ende des Monats, wenn die Sinnfragen des Lebens gestellt werden, denen niemand entrinnen kann. Heinrich Kraus stellt sie sehr konkret. Das Anhalten des Menschen könnte man auch als Annehmen der nahen Todessituation werten. Kraus hat damit einen sehr dichten und beeindruckenden Text entworfen, der sich auch im Sprachton von der jugendlichen "Frechheit" ins "gruselische Elend" wandelt. Geänderte Zeiten und andere Sichtweisen eben!

Die Zejte ännere sich

Wie er jung un gesund war,
hat er m'Dod ganz frech
in die Aue geluht.

Wie die Mäckelcher komm sin, 
hat er viel lieber als 
ebbes anneres angeguckt.

Wie er schlockerisch war, do hat er 
m'Dod änfach de Buckel hingedreht,
wie wenn's ne nit gäb.

Wie der'm off ämol die Hand
off die Schuller geleht hat, do isch er
ganz arisch verschrock un hat angehall 
wie e Krippel am Wäh for än Jährche, 
obwohl's'm so gruselisch elend war ...
Die Zejte ännere sich!

Heinrich Kraus