Text des Monats

Monat 07/2006:
Hënt von Daniel Laumesfeld

Im Monat Juli 2006 zeichnet die Bosener Gruppe das Gedicht NÄISCHT war nach gesot aus dem Lyrik-Zyklus Hënt von Daniel Laumesfeld als Mundarttext des Monats aus.

In ihrem Bosener Manifest hat sich die Bosener Gruppe - Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart - zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer herausragenden Wertigkeit und Schönheit darzustellen. Zusätzlich soll die Dialektsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Preiswürdige Texte werden auf Vorschlag der Mitglieder der Bosener Gruppe ausgewählt und juriert. Einziges Entscheidungsmerkmal ist die literarische Qualität eines Textes. Zur Bosener Gruppe gehören u.a. die Mundartautoren Johannes Kühn, Heinrich Kraus, Wolfgang Ohler, Relinde Niederländer, Hildegard Driesch, Helga Schneider, Peter Eckert, Georg Fox, Bruno Hain, Ute Zimmermann, Thomas Liebscher, Manfred Pohlmann und Marcel Adam.

Über Text und Autor schreiben Jo Nousse und Karin Klee:

Hënt, das ist das Wort der Lothringer für letzte Nacht. So nannte Daniel Laumesfeld ein Lyrikbändchen, in dem er seine Liebe zu seinem lothringer Platt, seiner Muttersprache, und sein literarisches Können unter Beweis gestellt hat. Daniel Laumesfeld ist ein Begründer gewesen, einer, der das Konzept einer progressiven fränkischen Sprachbewegung erschaffen hat. Sein Wirken hat bis heute großen Einfluss auf alle, die sich mit der Sprachbewegung Lothringens beschäftigen. Daniel war ein renommierter, hochdiplomierter Forscher seiner Sprache: Den Doktortitel der Soziolinguistik erwarb er an der Sorbonne in Paris. Seine Kompetenz wurde nie angezweifelt, doch in seiner Heimat hatte er es schwer: Die Bürokraten der Uni Metz und der Akademie Nancy-Metz verwehrten ihm den Zugang zu ihren Instituten, so arbeitete er als Redakteur bei verschiedenen Zeitungen mit (bei "Gewan", einem Blatt des Vereins "Wei lang noch" von 1979 bis 1986; bei der Literaturzeitschrift "Mar" von 1977 bis 1978). Seine Tätigkeit bei "Passerelles", einer Kultur-Zeitschrift der Stadt Diddenuewen (=Thionville), ließ ihn zum Verwalter eines interkulturellen Aktionsprogrammes werden. Während dieser Tätigkeit hat er auch an der Anthologie "Les passageres du sostice" mitgeschrieben. Dazu spielte er mit in der Band "Geeschtemat?", malte und illustrierte die Texte in seinen Büchern. Der Krebs ließ ihm gerade noch die Zeit, seinen letzten Roman "Le Soufre et le safran" fertig zu schreiben. Das Buch erschien erst nach Daniels Tod, ebenso die Werke: "Le Mouvement francique" (Editions L'Harmattan/Paris), "De Schënner - Guérisseurs en pays thionvillois" (Editions Gewan), "Daniel Laumesfeld: chemins" (Editions Passerelles) und der gerade herausgegebene zweisprachige Lyrikband "RÉCITS, CHANSONS ET POÈMES FRANCIQUES" (Editions L'Harmattan/Paris). Daniel ist 1991 im Alter von 36 Jahren gestorben. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof des alten Genéngen (=Guénange/Village), nicht weit entfernt von Diddenuewen. Und hier nun eines seiner Gedichte, in dem er beschreibt, wie alles Sehen, Erleben und Beschreiben seinen nebeligen Anfang genommen hat. Da waren also stille Seelen und ein Kind, das ihn durch die Sonne anschaute. Er selbst träumte mit offenen Augen und fand seine Sprache in einer an Bildern übervollen Welt. Dort, wo sich eine dicke Biene auf einer Mirabelle nieder lässt, und gleich darauf wieder alles verschwunden ist, das Kind an der Hand...

NÄISCHT war nach gesot

NÄISCHT war nach gesot
d'Welt hat sech e Moment vergeess
et war grad wi en niwelechen Ufank
mat allerhand roueg Séilen
E Kand huet mech duurch d'Sonn bekuckt
mech lues selwer rëmkannt
drun am stäiwen Haf
alleng mam Summer ze dreemen
et waren och heemlech Wierder
op Platt gepëspert
an heando eng schwéier Bei
op enger Mirabell
d'Welt hun ech kaum gepaakt
mat den Ae grouss op
a gläich war se schlofereg fort
t Kand an der Hand

Daniel Laumesfeld